HAIRSPRAY – Premiere München 4.7.2012

 

Knallbunt – quietschig – voll mitreißender Tanzszenen – und mit einem komödiantischen Uwe Kröger.

So lässt sich die gestrige München-Premiere im Deutschen Theater (in einer Produktion von Musik & Theater Saar) des aktuell amerikanischsten aller Musicals im Stenogrammstil auf den Punkt bringen.

Irgendwie erinnert das Stück an „Grease“ – pubertierende Teenager einer High School bevölkern die Bühne, alles ist bunt, aufgeregt und es wird ständig getanzt. Doch im Vergleich zu dem genannten anderen Stück hat „Hairspray“ immerhin in all dem munteren Treiben noch eine Botschaft untergebracht, nämlich das in den sechziger Jahren aufkommende Aufbegehren gegen Rassentrennung im besonderen und Diskriminierung im allgemeinen.

Da es sich um eine Tourneeproduktion handelt mit zwei jeweils relativ kurzen Spielzeiten zum einen in München und daran anschließend in Merzig (Saarland), hat Regisseur Andreas Gergen auf ein zweckdienliches Bühnenbild gesetzt, das einerseits die zur Verfügung stehenden räumlichen Gegebenheiten der beiden Spielorte berücksichtigt und andererseits aber vollkommen ausreichend ist. Dreh- und schiebbare Elemente, praktischerweise bedient vom Ensemble, versetzen den Zuschauer in Windeseile an die diversen Spielorte wie Schule, das Turnblad’sche Wohn- bzw. Bügelzimmer, Gefängnis, Plattenladen etc.

Das schwungvoll aufspielende zehnköpfige Orchester befindet sich sichtbar im hinteren Bühnendrittel und wird zwischendurch bei Bedarf auch in die Handlung miteinbezogen, so bei den Sequenzen der Corny Collins TV Show.

Kurze Übersicht der Handlung, für diejenigen, die das Stück noch nicht kennen: Anfang der sechziger Jahre in Baltimore – der pummelige Teenager Tracy mit der ausufernden Haarspray-Haarpracht will unbedingt berühmt werden und bei der in der Stadt gastierenden „Corny Collins TV Show“ vortanzen und somit ins Fernsehen kommen. Mutter Edna, ebenfalls nicht gerade von schmaler Statur, will ihre Tochter davor bewahren, ausgelacht zu werden, während der Papa Tracy Mut macht. Derweil verguckt sich Tracy in den Schwarm aller Mädchen, den smarten Link Larkin, und träumt schon von Hochzeit. Die böse-zickige Produzentin der Corny Collins Show verwehrt Tracy den Zutritt zum Vortanzen, da sie ihre eigene Tochter als „Miss Hairspray 1962“ gekürt sehen will. Indes lernt Tracy von schwarzen Mitschülern ganz neue, sehr körperbetonte Tanzschritte, will, dass ihre schwarzen Freunde auch bei dieser TV-Show auftreten, inszeniert eine Protestaktion gegen Rassendiskriminierung, landet dieserhalb im örtlichen Gefängnis, und am Ende gibt es natürlich ein Happy-End für sie und ihren Schwarm und die mittlerweile durch neu erwachtes Selbstbewusstsein Marilyn-mäßig aufgestylte Mutter Edna.

Also frisch-fröhliche Unterhaltung für die ganze Familie.

Einer der Pluspunkte der Show sind die hinreißenden Choreographien (Danny Costello), die vom spielfreudigen Ensemble lustvoll ausgereizt werden.

Weiterhin punkten viele Darsteller und bleiben nachhaltig im Gedächtnis.

Allen voran natürlich das Musical-Urgestein Uwe Kröger als Mutter Edna Turnblad, der hier erstmals die Gelegenheit bekommt, sein komödiantisches Talent voll auszuleben. Zu singen hat er wenig, seine Bühnenpräsenz ist jedoch nach wie vor vorhanden, er zieht sämtliche Blicke auf sich, wenn er auf der Bühne auftaucht. Seine Edna schafft es, zwar knallchargig zu agieren, aber nie ins Peinliche abzudriften. Vielmehr gelingen Kröger auch einige sehr anrührende Momente im Mutter-Tochter-Verhältnis. Zusammen mit seinem schmalbrüstigen Bühnenehemann Wilbur alias Andreas Zaron liefert Kröger fast ohne Requisiten und Bühnenbild im zweiten Akt den Showstopper Du bist zeitlos für mich, bei welchem sogar Lokalkolorit in die Lyrics mit einfließt in Form von „Hofbräuhaus – Weißwurst – zuzeln“ – letzterer Begriff wirkte im direkten Zusammenhang mit dem Liebesduett schon fast schlüpfrig-zotig, aber dem darob laut aufwiehernden Publikum hat’s gefallen.

Die Rolle der Motormouth Maybelle ist natürlich eine Paraderolle für eine schwarze, gospelige Rubens-Frau mit dementsprechender Stimmkraft – Deborah Woodson heimste für ihr Solo Ich weiß wo ich war stehende Ovationen mitten im Stück ein – das hat man auch nicht alle Tage!

Dominik Hees gefällt sehr als smarter Link Larkin und überzeugt insbesondere in den vielen Tanzszenen durch seine wirklich punktgenauen, geschmeidigen Moves.

Betty Vermeulen als schrille, bösartige und übergeschnappte Velma van Tussle, die frühere „Miss Baltimore Crab“, scheint eine Idealbesetzung für diese Rolle zu sein – es fällt einem partout nicht ein, was man an dieser Darstellung noch besser machen könnte, sie ist einfach wunderbar zickig. Eben noch erlebte man die vielseitige Darstellerin bei „Elisabeth“ als dramatisch-verbitterte Kaisermutter Erzherzogin Sophie, und nun bezaubert sie uns mit ihrem komischen Talent.

Jessica Kessler als köstlich naive Penny Pingleton, die Schauspielerin/ Comedian Tanja Schumann als ihre humorlos-strenge Mutter Prudy und Eugene Boateng als fulminanter Tänzer Seaweed, der anscheinend mit Gummiknochen ausgestattet ist, begeistern ebenfalls.

Was uns nun zu den nicht ganz so überzeugenden Darstellern bringt. Marc Seitz als Corny Collins und Johanna Dost als Amber von Tussle agieren rollendeckend, bleiben aber in ihren Rollen nicht in nachhaltiger Erinnerung.

Und leider ist die Hauptrolle der Tracy Turnblad, mit Conny Braun besetzt, auch nicht der vor Lebensfreude sprühende, stets im Mittelpunkt der Handlung stehende, quirligeTeenager, wie es das Rollenprofil vorgibt. Vielleicht wird das noch im Laufe der Spielzeit, aber bei der Premiere blieb Conny Braun doch ziemlich blass, schlimmer noch, das engagierte Ensemble stellte die Hauptdarstellerin – natürlich ungewollt – gerade bei den Tanzszenen ziemlich in den Schatten. Auch stimmlich bleibt nichts hängen von ihr. Hoffen wir, dass sie sich noch freischwimmt.

Kostüme, Maske und Licht ohne Tadel. Die Textverständlichkeit, insbesondere bei den Liedern mit Beteiligung mehrerer Sänger, war teilweise nicht gegeben – die Sound-Aussteuerung bedarf der Optimierung.

Das Münchner Premierenpublikum, garniert mit der saarländischen Ministerpräsidentin und dem dritten Bürgermeister von München sowie etlichen B- und C-Promis, reagierte auf die Show hochgradig begeistert, der Jubel beim Schlussapplaus wollte schier kein Ende nehmen – es deutet alles auf einen großen Erfolg hin.

Zu erleben ist das Gute-Laune-Stück im ausgelagerten (eigentlich perfekten, weil aufgrund optimaler Anbindung und wunderbar ausgestatteter Location mit entsprechend passender Gastronomie inklusive Biergarten) Zelt-Standort des Deutschen Theaters in Fröttmaning vor den Toren von München noch bis zum 22. Juli.

(Silvia E. Loske, Juli 2012)

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Deutsches Theater München mit einer Neuproduktion von Musik & Theater Saar in Co-Produktion mit BB Group

Musik und Liedtexte

Marc Shaiman und Scott Wittman

Buch

Mark O’Donnell, Thomas Meehan

Inszenierung und Regie

Andreas Gergen

Musikalische Leitung

Jeff Frohner

Choreographie

Danny Costello

Bühne

Court Watson

Kostüme

Ulli Kremer

Produzent

Joachim Arnold

 

 

Darsteller:

 

Edna Turnblad

Uwe Kröger

Tracy Turnblad

Conny Braun

Wilbur Turnblad

Andreas Zaron

Link Larkin

Dominik Hees

Velma von Tussle

Betty Vermeulen

Corny Collins

Marc Seitz

Amber von Tussle

Johanna Dost

Penny Pingleton

Jessica Kessler

Motormouth Maybelle

Deborah Woodson

Seaweed H. Stupps

Eugene Boateng

Prudy Pingleton

Tanja Schumann

Mr. Spitzer / Mr. Pinky

Benjamin Eberling

 

 

Ensemble:

Salka Weber, Taryn Nelson, Bishat Araya, Kimmy Edwards, Janina Moser, Leoni Kristin Oeffinger, Céline Vogt, Conchita Zandberger, Sanne Buskermolen, Sebastian Smulders, Dominik Doll, Alen Vucko, Maickel Leijenhorst, Niklas Abel, Stephan Luethy, Michael Peters