Festspielhaus Füssen, 27. August 2022
Als mittlerweile langjährige Tradition ehren und erinnern die Veranstalter Janet Chvatal & Marc Gremm an den am 25. August sich jährenden Geburtstag des verehrten und unvergessenen bayerischen Königs Ludwig II. Die diesjährige Königsgala stand unter dem Motto „Mit den Mitwirkenden der Premierenbesetzung aus Ludwig2“, die Uraufführung des Musicals war im März 2005. Als Künstler genannt waren Janet Chvatal, Marc Gremm, Jan Ammann, Gerd Achilles und Bruno Grassini. Bei der Anmoderation wurde dem Publikum durch Janet und ihren „Diener“, Chris Green, mit Bedauern mitgeteilt, dass der Mitinitiator und Veranstalter Marc Gremm erkrankt sei und deshalb an der Gala nicht teilnehmen könne.
Man kann erahnen, welchen Aufwand in der Programmänderung dieser krankheitsbedingte Ausfall von Marc Gremm bedeutete. Mit Bravour wurde diese Aufgabe gestemmt und das erarbeitete Programm in sehr gelungener Mischung aus zahlreichen tiefgründig-nachdenklichen, nicht oft in Galakonzerten gehörten Liedern aus hierzulande selten gespielten Stücken (wie Company, Follies, Nine, Carousel etc.) und natürlich auch wohlbekannten Musical-Hits zur Freude des fast vollbesetzten Saales im Festspielhaus Neuschwanstein dargeboten.
Zusätzlich zum Ausfall von Marc Gremm sorgte auch die hinlänglich bekannte chaotische Situation an deutschen Flughäfen für erhöhten Blutdruck bei den Veranstaltern und den betroffenen Künstlern: dem aus Hamburg von den dortigen Proben zu Mamma Mia! angereisten Gerd Achilles kam sein Koffer abhanden und Jan Ammann, noch am Vormittag in seiner aktuellen Rolle in Diensten von RTL in einer Daily Soap agierend, musste am Flughafen Köln zusammen mit Hunderten von Reisenden in langen Schlangen am Check-In ausharren und kam erst eine Stunde vor Konzertbeginn im Festspielhaus an. Dementsprechend konnte nicht wie normalerweise üblich geprobt werden. Umso höher sind die Leistungen der Musicalstars zu bewerten, da sind eben Vollprofis am Werk, Hut ab.
Neben den in einigen Songs erforderlichen Orchester-Playbacks wurden die Solisten wohltuend auch live am Flügel durch die unvergleichlich virtuose Marina Komissartchik durch einen Großteil des Programms begleitet.
Das Beleuchterteam tauchte die Bühnenkünstler stimmig in gutes Licht, die wenigen Bühnenbauten, Effekte und Videoinstallationen waren gut gewählt und funktionierten wie am Schnürchen. Im Gegensatz dazu zeigten sich beim Ton dahingehend Mängel, dass die Regler der Orchesterplayback-Einspielungen so unausgewogen betätigt wurden, dass insbesondere im ersten Akt wummernde Bässe unangenehme Vibrationen an der Bauchdecke auslösten.
Janet Chvatal führte durch den Abend und brachte sich selbstverständlich gesanglich als Kaiserin Elisabeth, Christine aus dem Phantom und insbesondere in berührenden Duetten ein. Hervorzuheben sind hier insbesondere das grandiose Duett mit Bruno Grassini „Come what may“ aus Moulin Rouge und das energetisch-fordernde Bolero-Duett „Wenn ich tanzen will“ mit Jan Ammann. Eindrucksvoll Janets Darbietung von „You must love me“, welche mit Videoprojektionen zum Gedenken an verstorbene Kreative der beiden Ludwig-Musicals einherging. Der Komponist des ersten Ludwig-Musicals „Sehnsucht nach dem Paradies“, Franz Hummel, war erst vor wenigen Tagen verstorben, ebenso noch frisch der unerwartet frühe Tod des mit einprägsamer Stimme und ungeheurer Bühnenpräsenz versehenen „Kaspar“ Darstellers William Cohn im Juli dieses Jahres. Und dazu auch die Erinnerung an Christine Kaufmann, die in den Anfängen des zweiten Ludwig-Musicals den Engel der Geschichte spielte.
Mit Jan Ammann, der aktuell wegen seines TV-Engagements nur in homöopathischen Dosen, wie er augenzwinkernd ausführt, auf den Musiktheater- und Konzertbühnen zu erleben ist, boten die Veranstalter zur großen Freude des Publikums den Original-König in dieser Gala. Es war anhand des Beifalls unüberhörbar, wie sehr die Ludwig-Fangemeinde „ihren König“ verehrt. Folglich erwartbar gab es für Jan Ammanns Interpretation von „Kalte Sterne“ – wie so oft – die einzigen Standing Ovations des Abends. Eine interessante und vor allem erstmalige Ankündigung gab es von Janet Chvatal vor dem nächstfolgenden Titel, „Ewig lebt der Königstraum (einsam bin ich in meinem Königsmantel)“: Das Musical Der Schwanenprinz wird ab Sommer 2023 im Festspielhaus gespielt, und: „DER König kommt zurück“!! Übersetzt heißt das wohl, dass Jan Ammann erneut König Ludwig II. in einer Hauptrolle im Festspielhaus spielen wird. Diese Information wurde vom Publikum geradezu euphorisch aufgenommen – als dann Jan Ammann im Originalkostüm aus der Krönungsszene mit dem royalblauen langen Krönungsmantel die Bühne betrat und den besagten Titel sang, war es ohnehin um die zahlreich anwesenden Ludwig-Fans geschehen.
Gerd Achilles war in diversen Rollen im zweiten Ludwig Musical zu erleben. In der Originalbesetzung gab er den intriganten Graf Rettenberg, mehrmals spielte er auch die Hauptrolle des König Ludwig II. Bei der diesjährigen Königsgala bot Gerd Achilles eine sehr schöne, noch nie gehörte Version von „The impossible dream“. Diesen bekannten Musicaltitel hatte Gerd Achilles zu Anfang seines Berufslebens bei einer Audition dargeboten, bekam die Rolle nicht und hat daraufhin den Titel – bis jetzt im Festspielhaus – nie wieder gesungen. Sehr einfühlsam interpretierte der Künstler weiterhin „In a very unusual way“ und „Am Leben zu sein“. Die Königsduette mit Jan Ammann „Geliebte Berge“ und „Das Auge nass“ mit dem raumhohen blutroten Vorhang, der von beiden Königen simultan zu Fall gebracht wurde (ungeprobt, wie Jan Ammann betonte), wurden vom Publikum begeistert gefeiert.
Bruno Grassini: Was für eine Freude, den Original-Schattenmann wieder auf der Bühne des Festspielhauses erleben zu dürfen mit seiner unvergleichlichen und bislang unübertroffenen Interpretation von „Schwarze Schatten“. Bruno hat in letzter Zeit, wie er im Gespräch mit Janet berichtet, einige seiner Herzenslieder übersetzt und bietet sie dar als „Rollen, die ich nie auf der Bühne spielen werde“ – kein Wunder, sind es doch alles berühmte Musical-Frauenarien wie die Norma Desmond, Elphaba, und die weibliche Hauptrolle aus „Follies“. Der bekennende Edith Piaf Fan übersetzte deren „Hymne à l’amour“ ins Deutsche und auch das berühmte „Smile“ von einem seiner Idole, Charlie Chaplin, präsentierte Bruno Grassini an diesem Abend mit weiß geschminktem Gesicht und dem unverwechselbaren Watschelgang Chaplins.
Der junge Tenor Chris Green, der bereits in zahlreichen Produktionen des Festspielhauses, u.a. in Ludwig2 und Der Schwanenprinz auf der Bühne stand, vervollständigte die Solistenriege. Was für eine bemerkenswerte Stimme, die aus diesem zierlichen Körper kommt. Mit der wuchtigen Jim-Steinman-Hymne „I’d do anything for love“ räumte der Sänger so richtig ab. Größer könnte der optische Kontrast zwischen dem mittlerweile verstorbenen Meatloaf, dessen größter Hit dieser Song war, und Chris Green nicht ausfallen, stimmlich überzeugen in ihren jeweiligen Interpretationen beide.
Ebenfalls aus der Originalbesetzung fand der großartige Schauspieler André Eisermann nach langer Zeit wieder den Weg ins Festspielhaus. Unvergessen beeindruckend spielte er damals den unglückseligen Prinzen Otto, Ludwigs Bruder. Bei der Königsgala präsentierte der Darsteller einen Monolog aus den Aufzeichnungen des Journalisten Lew Vanderpool aus dessen Gespräch mit König Ludwig II. Inhalt dieses Geprächs war Ludwigs offensichtliche Seelenverwandtschaft mit dem amerikanischen Poeten Edgar Allan Poe. Der König verehrte Poe über alle Maßen und fühlte sich dem Dichter aufgrund ihrer beider ausgeprägten Empfindsamkeit und dem daraus entstandenen Unverständnis der Mitmenschen in ihrem Umfeld eng verbunden.
Einen der Höhepunkte der Gala nach dem Empfinden der Rezensentin lieferte das Trio Jan Ammann, Gerd Achilles und Chris Green mit der von Jean Valjean verzweifelt an seinen Schöpfer gerichteten Bitte „Bring him home” aus Les Misérables. Was die drei Sänger hier zu Gehör brachten, war einfach nur grandios – Jan Ammann mit der hohen Kopfstimme, wie ungewöhnlich, aber gut! Vielen Dank für diese einfühlsame und gleichzeitig stimmgewaltige Darbietung.
Bei den Zugaben holte Janet Chvatal aus der aktuellen Ludwigs-Produktion das Darstellerpaar Stephanie Kock und Alexander Kerbst mit auf die Bühne.
Nach dem seit vielen Jahren üblichen Abschluss der Gala mit „Lebe Deinen Traum“ aus dem Schwanenprinz folgte das Finale des Ludwig2 Musicals „Schloss der Zukunft“, das stets einen Kloß im Hals verursacht – Schwanenkönig hab Dank. Und zuletzt als Hommage und Dank an das Publikum von Janet ausgesprochen „You’re simply the best“, das alle gutgelaunten Solisten auf der Bühne tanzend oder zumindest mitwippend zum Abschluss der diesjährigen Königsgala darboten. Das Publikum zeigte sich begeistert und machte sich beschwingt spät um bereits 23:30 Uhr auf den Heimweg.
PROGRAMM. Am Flügel: Marina Komissartchik
Akt 1
- Ich gehör nur mir (Elisabeth), Janet
- Geliebte Berge (Ludwig2); Jan & Gerd
- The impossible dream (Man of La Mancha), Gerd
- Wenn ich tanzen will (Elisabeth), Janet & Jan
- Schwarze Schatten (Ludwig2), Bruno
- With one look (Sunset Boulevard) / Smile (Charlie Chaplin), Bruno
- You must love me (Evita), Janet
- In a very unusual way (Nine), Gerd
- Das ganze schrecklich schöne Leben (Konstantin Wecker), Jan
- Das Auge nass (Ludwig2) Jan & Gerd
- Hymne à l’amour, auf deutsch (Edith Piaf), Bruno
- Könntest Du nur wieder bei mir sein (Phantom der Oper), Janet & Chris
- Come what may (Moulin Rouge), Janet & Bruno
Akt 2
- Zieh mit mir (Der Schwanenprinz), Janet
- Monolog, Aufzeichnungen des Journalisten Lew Vanderpool aus seinem Gespräch mit König Ludwig bezüglich Edgar Allan Poe, André Eisermann
- Ewig lebt der Königstraum (Der Schwanenprinz), Jan
- Unser Sommer (Mamma Mia), Gerd
- Ich verlier’ den Verstand (Follies), Bruno
- If i loved you (Carousel), Janet & Bruno
- Bring him home (Les Misérables), Jan, Gerd & Chris
- Defying Gravity (Wicked) auf italienisch, Bruno
- Am Leben zu sein (Company), Gerd
- I’d do anything for love (Meatloaf, Jim Steinman), Chris
- Rosenkavaliere (Ludwig2), Janet
- Kalte Sterne (Ludwig2), Jan
- Zugaben:
- Lebe Deinen Traum (Der Schwanenprinz), Janet & Alle
- Schloss der Zukunft (Ludwig2), Alle
- Simply the best (Tina Turner), Alle
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Silvia E. Loske, August 2022