Foto: Ulf Robins
Karim Khawatmi, geboren in Hiltrup, belegte zuerst ein Psychologiestudium, begann dann aber eine Ausbildung zum Musicaldarsteller an der UDK in Berlin. In vielen bekannten Musicals konnte man Karim Khawatmi bereits in Hauptrollen erleben, so u. a. in „Les Misérables“, „Drei Musketiere“, „Jekyll & Hyde“, „Kiss me, Kate“.
Seit einigen Jahren ist Karim Khawatmi außerdem ein renommierter Porträt-Fotograf und hat sich in der Theater-Branche durch seinen unverkennbaren Stil mit seinen Fotoarbeiten fest etabliert.
Aktuell ist Karim Khawatmi im Deutschen Theater München als Axel Staudach im Udo Jürgens Hitmusical „Ich war noch niemals in New York“ zu erleben.
Foto: Winkler/Stage Entertainment
Musical Reviews hatte die Gelegenheit, mit dem beliebten Künstler in München nach der Show ein Gespräch zu führen.
MR: „Ich war noch niemals in New York“ läuft ja grandios in München, Ihr habt schon nach zwei Dritteln der Spielzeit die 100.000 Besucher-Marke geknackt, Glückwunsch! Wie geht’s bei der Tour von IWNNINY weiter mit Dir?
KK: Dankeschön, ja, wir freuen uns auch sehr darüber, wie gut das Stück in München ankommt. Ich bin ab 24. Januar in Berlin wieder mit dabei. Und dann würde ich sehr gerne weitermachen, die Tour geht dann noch bis Januar 2017.
MR: Das ist aber schon ein langer Zeitraum, lange weg von zuhause…
KK: Ja, schon. Aber ich habe Gott sei Dank eine Frau, die mich dabei sehr unterstützt. Es ist in erster Linie eine Organisationsfrage. Die Freiräume, die man hat, muss man wirklich genau organisieren und planen und dann kann man das gut schaffen. Ein Partner, der weiß, wie das im Business abläuft, ist einfach Gold wert.
MR: Du spielst den Axel Staudach jetzt schon seit 2010 – nicht durchgehend zwar, aber doch schon eine lange Zeit.
KK: So eine Show wird wirklich ein Teil von Dir, das ist schon toll, was das mit einem macht, wie sich das auswirkt.
MR: Und die Lieder aus IwnniNY könnt Ihr dann ja bei der nächstes Jahr stattfindenden „MERCI CHÉRIE“ Tour verwenden. Da stehen beginnend Anfang März 2016 insgesamt elf Konzerttermine an.
KK: Ja, aber es wird schon nochmal anders, weil bei dieser Konzerttournee auch so einige Lieder dabei sind, die ich noch gar nicht kenne. Auch die Arrangements werden anders sein, als jene im Musical. Zum Beispiel Siebzehn Jahr, blondes Jahr wird natürlich im Konzert als komplettes Lied performt, nicht gekürzt. Das wird dann auch wieder spannend – beim Konzert sind Arrangement und Text so, im Musical dann wieder anders. Da musste schon höllisch aufpassen, da nix durcheinander zu bringen *lacht*.
Ich freu mich aber sehr drauf, denn das bedeutet dann auch für mich Abwechslung bei den bekannten Liedern. Das ist wie so ein „Reset“ – da hat man dann auch wieder eine andere gute Energie im En-Suite Betrieb.
MR: Ein Kollege von Dir meinte kürzlich im Gespräch, dass er solche Konzertabstecher während eines En-Suite Betriebs sehr mag und schätzt, weil das frisch hält.
KK: Ganz genau – ich mag das auch sehr gerne, denn das ist eine sehr willkommene, schöne Abwechslung für den Kopf, eine richtige Herausforderung. Man fährt bei einem Long-Run oder einer Tour halt bei acht Shows die Woche einen eigenen Rhythmus, körperlich und geistig. Da dann kurz rausgerissen zu werden, mit einer anderen Herausforderung, das ist einfach super. Dieses „Auffrischen“ kann ein Konzert oder eine Gala sein, oder natürlich auch ein Foto-Shooting.
MR: Die Besetzung des „MERCI CHÉRIE“ Konzertformats mit Deiner Frau Sabine Mayer-Khawatmi, Annika Bruhns und Andy Bieber siehst Du sicherlich als absoluten Glücksfall an?
KK: Oh ja, ich freu mich total darauf. Es ist toll, wenn man mit solchen Kollegen Konzerte geben kann. Mit lieben Menschen, mit denen man sich auch privat so gut versteht. Andy Bieber zum Beispiel ist sehr erfahren, was Konzerte und Galas anbetrifft, auch was z. B. Moderationen anbelangt. Da kann ich mir bestimmt noch einiges abgucken und lernen (grins). Mit Annika hab ich 2001 „Jesus Christ Superstar“ in Schwäbisch-Hall gespielt, das passt auch prima. Es ist einfach schön, dass wir da vier Leute haben, die so entspannt sind. Keiner hat ein riesengroßes Ego und jeder respektiert den anderen.
Zudem hat Andreas Luketa da ein tolles Konzept mit einem roten Faden erstellt. Er hat ein sehr gutes Gespür dafür, welche Songs funktionieren. Diese Kreativität, die da dahintersteckt, und dann läuft auch noch von der Organisation her alles reibungslos, großartig. Eine Gala mit aneinandergereihten Nummern ist schnell auf die Beine gestellt, aber eine Konzertreihe mit einem kreativen und vor allem wohldurchdachten Konzept, das muss man erst mal hinbekommen – und das macht Andreas Luketa extrem gut.
MR: Versteht Ihr Euch bei Eurem „Musical Gentlemen“ Projekt auch so gut?
KK: Oh ja, wenn wir uns zu den Konzerten treffen, ist das immer wie so ein Jungs-Ausflug *lacht*. Kasper Holmboe kenne ich schon länger, mit dem hab ich damals Les Mis gemacht – wir hatten eine Garderobe zusammen und hatten richtig viel Spaß. Mit Stefan Tolnai hab ich Fotos gemacht und kenne ihn daher. Nico Müller kannte ich vorher nicht, der hatte aber wiederum Kontakt zu Stefan. Und irgendwann fragte Stefan uns, Jungs, habt Ihr Lust, das zu machen – und so ging das dann los. Wir hatten dann eine Probe in Berlin. Das war so entspannt, vier große Jungs, die zusammen Spaß haben, keiner hat ein übergroßes Ego, man kann auch mal einen Fehler machen, es soll ja auch nicht alles zu glatt laufen.
Wir hatten bislang drei Konzerte und 2016 geht es nun weiter. Am 30. Juni z. B. in Düsseldorf, da haben wir dann Anna Montanaro als Gast dabei. Wir lernen viel bei diesem Konzertprojekt, müssen auch alles selber machen, haben keinen Produzenten. Daher ist es ein spannender Entwicklungsprozess. Jeder schmeisst so seine Ideen in den Raum und dann gucken wir gemeinsam, was man daraus machen kann. Wir haben auch einen Chor in der jeweiligen Stadt, in der wir spielen, mit dabei. Eine schöne, runde Sache und die Reaktionen des Publikums und der Erfolg zeigen uns, dass unser Konzept sehr gut funktioniert.
MR: Zum Thema Fotoshooting: Wie bringst Du das terminlich unter, wenn Du achtmal die Woche Show hast?
KK: Also wenn es möglich ist, lege ich es gern so, dass ich Montags zuhause in Berlin entspanne und dann Dienstagvormittag das Foto-Shooting mache. Dienstagabend steh ich dann natürlich wieder auf der Bühne… alles eine Frage der Organisation.
MR: Aktuell fliegst Du jeden Montag früh heim nach Berlin und Dienstagnachmittags wieder zurück nach München?
KK: Ja, so ist das. Wenn ich dann die Monate ab Januar wieder im TdW in Berlin bei IwnniNY spiele, kann so ein Shooting auch mal nach der Show stattfinden – ich hab mein ganzes Equipment zuhause in Berlin. Das ist zwar anstrengend, so nach der Show, aber es macht mir auch wahnsinnig viel Spaß.
MR: Ich denke, da ist ja dann von der Show noch soviel Adrenalin im Körper, dass man das eben gut für eine andere kreative Aufgabe einsetzen kann.
KK: Absolut – da bin ich dann so wach und auf einem guten kreativen Level, dass ich das sehr gut bewerkstelligen kann. Ich geh sowieso selten vor 02:00 Uhr ins Bett.
Ich mag das sehr, da gerade Nachts alles runter fährt. Man hat Ruhe, wird nicht gestört. Dadurch wird dann so ein Foto-Shooting nochmal einen Tick intimer und bekommt dann so einen ganz eigenen Fokus.
MR: Man kann dann aber logischerweise nur Indoor fotografieren…
KK: Klar, auch wenn ich schonmal, aber selten, spät abends noch draussen fotografiert habe, da muss man dann halt mit Blitz arbeiten, das geht schon auch.
MR: Ich finde Deine Fotoarbeiten als zweites Standbein, neben der Musicalkarriere, sowohl sehr interessant als auch sicherlich für Dich persönlich wichtig, ist das so?
KK: Aber ja, unbedingt! Es ist toll, in einem weiteren Bereich kreativ sein zu können. Man ist da fast wie ein kleiner Regisseur. Es ist sehr interessant, das, was in den Leuten drinsteckt, zutage zu befördern, „ins rechte Licht“ zu setzen. Facetten herausholen, die dem zu Fotografierenden vielleicht gar nicht bewusst sind – das ist unglaublich spannend.
MR: Da ist ein geschultes Auge und vor allem Einfühlungsvermögen enorm wichtig…
KK: Es ist sehr wichtig, dass sich die zu fotografierende Person wohlfühlt, sich nicht manipuliert fühlt. Es muss eine Authentizität entstehen, Vertrauen ist auch ein nicht zu unterschätzender Pfeiler für das Gelingen eines guten Shootings. Jeder Mensch hat von sich selbst eine bestimmte Sichtweise, ich als Fotograf sehe häufig ganz andere Dinge an dem Menschen. Manchmal dauert es, bis sich der Auftraggeber als Mensch beim Shooting so öffnet, bis er „warm wird“, dass ehrliche Bilder entstehen können. Dieser Prozess findet auch bei mir als Fotograf statt. Es ist im Prinzip ein gegenseitiges miteinander “warm werden“ und ab einem gewissen Zeitpunkt lässt man dann den Dingen seinen freien Lauf und schaut, was passiert.
Für mich ist am Ende wichtig, dass ich sagen kann, okay, ich hab jetzt das komplette Shooting gemacht, habe viele Bilder, die gut sind. Ich habe aber auch einige oder mehrere Bilder dabei, wo ich sage „bäm“! die sind’s. Und die sind dann auch genau so, wie ich die Person sehe. Das war gerade bei dem Andreas Bieber Shooting sehr schön, weil es für ihn leider ein eher schwieriger Tag vor dem Shooting war. Aber überraschender Weise sind gerade da die Leute manchmal noch zugänglicher und genau das ist es, was so ein Fotoshooting immer wieder anders macht und auch mich immer wieder vor neue Herausforderungen stellt.
MR: Fotografierst Du ausschießlich Leute aus der Branche oder sind da auch „Normalos“ dabei?
KK: Ich mach da keinen Unterschied, jeder kann mich buchen.
MR: Die Anfragen kommen dann über Deine Homepage?
KK: Ja, und aber auch ganz viele über Empfehlungen, worüber ich mich sehr freue.
MR: Location ist aber dann wohl immer Berlin, weil Du dort Dein Equipment hast?
KK: Genau – die ganze Blitzanlage usw. kann man nicht so einfach „mit auf Tour“ nehmen. Ich kann aber natürlich auch außerhalb Berlins Shootings mit kleinerem Equipment machen, dann halt am besten Outdoor oder auch Indoor, wenn dort viel Tageslicht reinkäme.
MR: Gibt es Zeiten, an denen Du besonders gut gebucht bist?
KK: Oh ja, das ist stark saisonal bedingt. Im Sommer, also Juni bis September, manchmal auch noch bis in den Oktober, kommen viele Aufträge rein. Wohingegen in den Monaten November bis März oftmals gar nichts los ist. Da fehlt mir das dann richtig, denn ich merke, ich brauche diesen Fluss und dieses Training. Es ist ja auch dieses „Blick schulen“, das geht leider ein bißchen flöten und ich muss mir das dann wieder antrainieren.
MR: Hast Du auch ein Faible in Richtung schwarz/weiß-Aufnahmen, ist ja bei vielen Fotografen, die „menschliches Material“ ablichten, so?
KK: Ich liebe schwarz/weiß-Aufnahmen, aber mag auch Farbe sehr, vor allem, wenn ich mit unterschiedlichen Filtern arbeite. Wenn das dann so verblasste Farben sind – hängt natürlich von der Stimmung ab – dann kann das wunderschön sein. Nicht jedes Bild wirkt auch in schwarz/weiß gut, da experimentiere ich gerne mit rum. Bei manchen Bildern ist es so, dass ich sehe, das funktioniert in Farbe überhaupt nicht, aber in schwarz/weiß ist das nur noch der Hammer, weil da viel mehr Kontrast herausgearbeitet wird, die Konturen sind viel stärker. Es ist immer spannend, ich könnte stundenlang darüber reden *grinst*.
MR: Das nenn ich mal echte Begeisterung…
KK: Ach ja, erst gestern hab ich bestimmt wieder mehr als zwei Stunden auf Youtube die Arbeiten und Dokumentationen über Peter Lindbergh geguckt – es ist so toll, wie der mit Licht arbeitet und ich lerne immer wieder dazu.
Wenn man es schafft, in einem Shooting Vertrauen aufzubauen, zu erreichen, dass sich die Person wohlfühlt, dann kann das Shooting gar nicht schlecht werden. Das ist genau wie im Schauspiel: Wenn Du Regisseur bist, kannst Du nur gute Arbeit abliefern, wenn der Schauspieler sich so frei fühlt, dass er alles geben kann, sich sogar blamieren darf, sich aber nicht beurteilt fühlt, ausprobieren darf. Das ist dann auch das Schönste, was Dir als Schauspieler passieren kann, wenn Du einen Regisseur hast, der sagt, „da ist noch mehr drin“ und Du gehst so an die Grenzen und vertraust ihm völlig. Nur dann entsteht auch wirkliche Qualität, finde ich.
MR: Ich kann mir auch vorstellen, dass Du aufgrund Deines Psychologiestudiums so ein gutes Auge für Menschen entwickelt hast, das ist sicher sehr hilfreich.
KK: Ach, ich bin generell einfach ein offener Mensch und kann glaube ich ganz gut mit Menschen umgehen. Ich brauche das auch selber für mein eigenes Harmoniebedürfnis, dass sich andere Leute wohlfühlen. Konflikte versuche ich da eher zu vermeiden.
MR: Verständlich, wer geht schon gerne frontal, eigentlich umschifft man ja Konflikte lieber. Obwohl, wenn ich von etwas überzeugt bin, dann geh ich ungern Kompromisse ein…
KK: Finde ich auch. Das musste ich aber auch erst lernen. Hat auch bestimmt mit dem Alter zu tun. Irgendwann weiß man immer mehr, was man nicht will und möchte auch weniger Kompromisse eingehen. Nicht, um stur oder schwierig zu sein, sondern einfach, weil ich weiß, das tut mir nicht gut und bringt mich nicht weiter.
MR: Darf ich zum Abschluss etwas Persönliches fragen? Du hast syrische Wurzeln…
KK: Ja, aber natürlich. Ich bin in Deutschland geboren. Meine Mutter ist aus Braunschweig und mein Vater kommt aus Aleppo.
MR: Ohh, gerade diese Stadt, mitten aus dem Zentrum der Zerstörung…
KK: Ja. Ich selber war nur einmal dort, als ich zwei Jahre alt war, hab daran natürlich keine Erinnerung. Spreche leider auch kein Wort arabisch. Ich wollte dann mal dort hin, als ich so ca. 15 Jahre alt war, das ging dann aber nicht – man hätte wahnsinnig viele Papiere und Unterschriften gebraucht, Genehmigungen, etc. Wir haben uns dann damals stattdessen mit meiner Oma und Cousinen und Cousins in der Türkei getroffen. Das ist aber lange her. Heute hab ich noch zu einem Cousin Kontakt, der wohnt mittlerweile in Kanada. Mein Onkel ist aus Aleppo in die Türkei geflohen, wirklich nur mit einem Koffer, weil sein Haus zerbombt wurde. Meinen Vater nimmt die aktuelle Situation immer wieder sehr mit, wenn er seine zerstörte Heimatstadt im Fernsehen sieht.
MR: Meine Frage zielte dahin, weil ja hier in München das Deutsche Theater nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt ist, wo ja Zehntausende von Flüchtlingen ankamen und immer noch ankommen. Es ist, denke ich, schon von der Gefühlslage ein Unterschied, ob man als Einheimischer hier von der Situation der Leute betroffen ist, oder ob man aufgrund familiärer Wurzeln einen doch weitergehenden Ansatz hat.
KK: Aber natürlich, mich beschäftigt das sehr, wenn ich an meinen Onkel denke, der alles aufgeben musste von heute auf morgen in Aleppo. Er hatte dort eine Druckerei und musste wirklich alles stehen und liegen lassen und mit seiner Frau fliehen.
Es ist schon irgendwie schade und auch bezeichnend, dass gerade solche schrecklichen Vorkommnisse wie in Syrien einen dann wieder wachrütteln – ich habe jetzt wieder verstärkt Kontakt mit meinem Onkel in der Türkei und wie gesagt mit meinem Cousin in Kanada, man rückt wieder enger zusammen und kümmert sich. Das eigene Ego, auch wenn meins jetzt wirklich nicht groß aufgebauscht ist, tritt dann angesichts solcher Umstände sofort in den Hintergrund, und das ist gut so.
MR: Dankeschön für diesen Einblick in Deine familiäre Lage.
Gibt es noch etwas, das Du generell gerne loswerden oder erzählen möchtest?
KK: Generell bin ich sehr dankbar, diesen Beruf gewählt zu haben. Es ist genau das, was ich machen wollte und ich schätze mich glücklich, diesen Beruf ausüben zu dürfen. Dann dazu noch die Verbindung mit der Fotografie – ich liebe es einfach, gefordert zu werden, mein Hirn anstrengen zu müssen, körperlich gefordert zu sein, ständig neu zu lernen.
MR: Du fühlst Dich also nicht wie in einer Art Tretmühle…
KK: Nein, gar nicht! Ich finde es schön, auch hier in dieser Show immer wieder neue Nuancen zu finden und zu entdecken, egal, wie klein sie auch sein mögen.
MR: Um eben nicht in zuviel Routine zu verfallen…
KK: Richtig, manchmal macht man etwas anderes oder probiert etwas aus, und Du fragst Dich, hey, warum hab ich das nicht schon vor zwei Jahren so gemacht? Das kann auch nur eine andere Betonung sein, die aber plötzlich viel besser passt. Das finde ich nach wie vor spannend an unserem Job. Es dürfte wohl auch kaum einen anderen Beruf geben, in dem man sich auch selber so gut kennenlernt, wenn man dafür offen ist.
MR: Du hast es also nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben?
KK: Nein, nie – auf gar keinen Fall. Absolut richtige Entscheidung.
MR: Wo siehst Du Dich in, sagen wir mal, etwa zehn Jahren?
KK: Ich glaube, ich werde nie jemand sein, der nur auf dem Hintern sitzen wird. Ich kann auch gut entspannen, aber ich brauch dann doch immer etwas, das mich fordert. Und wenn es nicht in diesem Beruf weitergeht, dann wird es irgend etwas anderes Kreatives sein. Aber konkret hab ich mir dazu aktuell noch keine Gedanken gemacht. Wer weiß, in welche Richtung es gehen wird – reizen würde mich Vieles, wie vielleicht Fernsehen, Coaching, Regie führen. Oder noch mehr in Richtung Fotografie zu gehen.
Interessant ist jetzt, da ich über 40 bin, zu erleben, wie mich jüngere Kollegen beobachten. Im Gegenzug kann ich wiederum auch viel von den Jüngeren lernen, das ist ein guter Austausch gegenseitig.
MR: Ich denke auch, dass sich etwas in der Art der Ausbildung der heutigen Musicalschüler geändert hat, es gibt immer mehr Musicalschulen, die Anforderungen werden sicherlich auch nicht weniger und der Konkurrenzdruck wächst. Vor 20 Jahren war das sicherlich noch nen Ticken anders, oder?
KK: Ich glaube, und das finde ich manchmal auch ein bisschen schade: Früher gab es mehr Respekt vor dem Job, Respekt vor dem Publikum, vor Deinen Rollen, vor dem, was Du auf der Bühne machst. Aber auch mehr Respekt vor den Darstellern. Ich glaube, das wurde damals mehr etabliert. Ohne das jetzt pauschalisieren zu wollen: Aber wenn ich mit Leuten meiner Altersklasse rede, wie Andreas, Gianni, Sabine oder Annika, dann haben die häufig eine andere Sichtweise auf den Job, als jüngere Kollegen.
Manchmal vermisse ich einfach den Ehrgeiz und die notwendige Disziplin ein wenig. Dies trifft jedoch absolut nicht auf unsere Cast hier bei IWNNINY zu.
Aber ich habe es bei anderen Shows wirklich schon anders erlebt. Die Leute zahlen alle sehr viel Geld, um jeden Abend auf der Bühne etwas Besonderes zu sehen. Ich bin überzeugt davon, dass man den Job nicht machen kann, wenn man sich durchschummelt. Darum denke ich, um auf die Frage zurückzukommen, dass uns früher an den Schulen ein bisschen mehr Respekt vor dieser Kunstform eingebläut wurde.
MR: Danke für diese interessante Sichtweise.
Zum Schluss: Ich fahre übrigens täglich durch ein Kaff mit dem Namen „Staudach“ – und denke dabei natürlich jedes Mal an Euch…
KK: *lacht laut auf*: Nee, oder? Das ist ja mal cool! DAS musst Du schreiben, das ist ja wohl sehr lustig! Hahaha, „nach einer längeren Fahrt durch das Dorf Staudach ist mir mal die Idee gekommen, ich müsste mal ein Interview mit Karim Khawatmi machen“ – das ist doch super!
MR: In diesem Sinne – lieber Karim, vielen Dank für Deine Zeit und dieses nette Gespräch. Ich wünsche Dir erstmal schöne Weihnachten und für das Neue Jahr und all Deine privaten und beruflichen Pläne alles erdenklich Gute!
(Das Interview führte Silvia E. Loske, Dez. 2015)
Karim Khawatmi ist noch bis zum 10. Januar 2016 von Dienstags bis Sonntags als Axel Staudach im Deutschen Theater München in dem Udo Jürgens Hit-Musical „Ich war noch niemals in New York“ live auf der Bühne zu sehen.
Foto: Winkler/Stage Entertainment
Weitere Infos zum Stück siehe ausführliche Premierenkritik hier auf Musical Reviews vom September 2015:
Tickets zur Show hier:
http://www.deutsches-theater.de/programm/ich-war-noch-niemals-in-new-york.html
Tickets für die elf Konzerte der „MERCI CHÉRIE“ Reihe gibt es hier:
Zur Homepage von Karim Khawatmi mit vielen seiner sehr beeindruckenden Fotoarbeiten geht es hier: