München-Premiere am 2. September 2015 im Deutschen Theater München
Köstlich unterhaltsames, swingendes Musical mit großartiger Choreographie rund um eine charmante Hochstaplerstory
Im Jahre 2002 verarbeitete Steven Spielberg die wahre Geschichte des Betrügers und Hochstaplers Frank Abagnale Jr. in einem Hollywood Blockbuster mit Leonardi di Caprio in der Hauptrolle des jugendlichen Betrügers und Tom Hanks als dessen Gegenspieler, den FBI-Agenten Hanratty, der ihm jahrelang erfolglos auf den Fersen ist.
Der Film besticht durch charmante Leichtigkeit, augenzwinkernde Sympathie für den pfiffigen Hochstapler – eine Gaunerkomödie, die ganz ohne Blut und Krach-Peng-Zack-Action auskommt. Und wahrscheinlich genau aus diesen Gründen ein großer Erfolg an den weltweiten Kinokassen war.
Natürlich war es nur noch eine Frage der Zeit, den witzigen Plot in ein Musical zu packen. 2011 war es soweit und das Musical konnte seine Broadway-Premiere feiern und schlug auch dort als einer der größen Erfolge der letzten Jahre ein, ausgezeichnet mit diversen Theaterpreisen.
Der renommierte österreichische Regisseur und Musical-Experte Werner Sobotka übertrug das Buch ins Deutsche und inszenierte das Stück 2013 als europäische Erstaufführung in den Kammerspielen des Theaters an der Josefstadt in Wien, wo Catch Me If You Can vor stets ausverkauftem Haus lief. Die Staatsoperette Dresden griff beherzt zu und übernahm die gefeierte Produktion – mit dem gesamten Orchester der Staatsoperette Dresden unter der Leitung von Peter Christian Feigel gelang ein opulenter Broadway-Sound der süffigen Partitur. Nun also kommt auch München in den Genuss dieser enorm unterhaltsamen Show in der Produktion der Staatsoperette Dresden. Bei der Premiere feierte das Münchner Publikum dieses gelungene Stück mit sehr spielfreudigen Darstellern, einem tänzerisch glänzenden Ensemble und einem grandios aufspielenden Orchester.
Zur Story: Der junge Frank Abagnale Jr. ist ein pfiffiges Kerlchen und verlebt eine sorgenfreie Kindheit und Jugend. Sein Vater ist sein großes Vorbild, seine französischstämmige schöne Mutter vergöttert er. Als er 16 Jahre alt ist, verlässt Franks Vater sein geschäftliches Glück, seine Mutter geht fremd und die Ehe der Abagnales ist ein Scherbenhaufen. Traumatisiert von der Trennung seiner Eltern verlässt Frank Hals über Kopf sein Zuhause und fährt nach New York. Ihm ist bewusst, dass er jetzt sein Leben in die eigenen Hände nehmen muss. Ausgestattet mit besten Manieren, einer veritablen Portion Charme und großer Chuzpe beginnt er seine „Karriere“ zunächst als Scheckfälscher, gibt sich im weiteren Verlauf als Co-Pilot der PanAm aus, lässt sich als Kinderarzt mit selbstverständlich gefälschter Approbation und Zertifikaten in einem Krankenhaus in Atlanta anstellen und mogelt sich im Anschluss daran auch noch als Jurist durch. Noch vor seinem 21. Geburtstag ergaunert er sich ein Vermögen von 2,5 Millionen Dollar.
Ihm ständig hinterher hechelt der schon ältere und desillusionierte doch hartnäckige FBI-Agent Carl Hanratty, in dessen Schlepptau drei reichlich unterbelichtete Jungagenten. Jahrelang foppt Frank seine Verfolger, ist ihnen immer einen Schritt voraus. Bis Hanratty realisiert, dass er nicht einem ausgekochten älteren Betrüger hinterherjagt, sondern einem gerade einmal der Pubertät entwachsenen Minderjährigen, zieht einige Zeit ins Land.
Als sich Frank Jr. während seiner Zeit als Arzt in Atlanta in die Krankenschwester Brenda verliebt und erstmals in seinem Leben sesshaft werden will, begeht er seinen ersten Fehler und Hanratty verhaftet ihn. Mittlerweile jedoch hat sich zwischen Jäger und Gejagtem neben Respekt auch so etwas wie vorsichtige Annäherung entwickelt – Frank wandert zwar für einige Jahre ins Gefängnis, wird aber frühzeitig entlassen und stellt sein Wissen fortan an der Seite Carl Hanrattys dem FBI zur Verfügung.
Die Show punktet mit einer einnehmenden Mischung aus großartig choreographierten, opulenten Ensemblenummern, in denen auch die Hauptdarsteller glänzen, und anrührenden intimen Szenen zwischen Frank und seinem Vater, Frank und Brenda und natürlich auch aus dem Katz- und Maus-Spiel zwischen Frank und Carl Hanratty. Mit fast drei Stunden Laufzeit ist das Stück vollgepackt mit dichter Story, Längen sind trotzdem nicht auszumachen, was der großartigen Inszenierung von Werner Sobotka zuzuschreiben ist.
Die nicht gerade große Bühne im Deutschen Theater ist bestückt mit einem zweckmäßigen Bühnenbild aus seitlich aufsteigender, je nach Situation entsprechend farbig unterschiedlich ausgeleuchteter angedeuteter Stadt-Kulisse. Mittig im Hintergrund befindet sich ein beidseitiger Show-Treppenaufsatz, der von den erstklassigen Tänzern der Staatsoperette Dresden gerne und ausführlich genutzt wird. Diverse Kulissenteile wie eine Bar, Bett, Eßtisch usw. werden bei Bedarf seitlich geräuschlos hereingefahren.
Die Kostüme sind im Stil der Siebziger Jahre gehalten und fallen besonders in den Szenen mit den Piloten und Stewardessen sowie den Ärzte- und Schwesternoutfits sehr gefällig ins Auge.
Licht und Sound sind ohne jeden Tadel, besonders der satte Orchestersound setzt sich im Gehörgang fest. Einige Male wurden die Mikroports nicht rechtzeitig aufgeschaltet, aber insgesamt gibt es an der Technik nichts zu mäkeln.
Die Partitur von Marc Shaiman besteht zum Großteil aus süffig ausgewalzten Swingmelodien, ein bisschen Jazz ist beigemixt und auch etwas Pop. Alles sehr gefällig und mitreißend, wenn auch kein großer Hit auszumachen ist. An Highlights wären da das mehrmals in Reprisen anklingende Live und ganz in Farbe, Brich kein Gesetz, Brendas herzergreifendes Solo Flieg, flieg ins Glück und Franks poppige Finalnummer Goodbye zu nennen.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist die grandiose Choreographie (Simon Eichenberger) einer der ganz großen Pluspunkte der Show. Synchron umgesetzt von den sehr ansehnlichen langbeinigen Tänzerinnen in ihren knappen hellblauen Stewardessen-Uniformen und keck-minikurzen Schwesterntrachten, flankiert von den schmucken männlichen Tänzern des Ensembles, sind diese Szenen grandios. Unbedingt erwähnenswert ist, dass auch die Solisten ganz hervorragende Tanzleistungen abliefern. Angefangen beim hinreissenden Jannik Harneit als Frank Jr. bis hin zur so nicht erwarteten Performance des mit einem Bauch-Fatsuit agierenden, eigentlich ungelenk umherstiefelnden Carl Hanratty alias Nikolas Gerdell. Wie er plötzlich bei seiner peppigen Nummer Brich kein Gesetz mit dem Ensemble tanzt, ist großes Kino. Was für großartige Solisten, die ihr Musical-Handwerk ganz offenbar von der Pike auf gelernt haben und alle drei Sparten – Gesang, Schauspiel und Tanz – aufs Vortrefflichste beherrschen.
Natürlich dreht sich in der Show alles um den charmanten Gauner Frank und daher muss der Hauptdarsteller als Sympathieträger dafür sorgfältigst gecastet werden. Im Falle der Produktion der Dresdner Staatsoperette ist dies perfekt gelungen: Der junge Jannik Harneit füllt die Rolle mit schlitzohrigem, unwiderstehlichen Charme. Seine Spielfreude ist in jeder Sekunde fühl- und hörbar, eine ziemliche Leistung bei einer Rolle, in der der Darsteller fast die gesamte Show hindurch auf der Bühne präsent ist. Er tanzt vorzüglich und singt prächtig – sein Solo Goodbye am Ende ist großartig interpretiert. Man kann nur hoffen, von diesem sehr begabten jungen Darsteller, der an der August Everding Akademie in München ausgebildet wurde, in Zukunft noch viel in anderen Produktionen sehen und hören zu dürfen.
Nikolas Gerdell ist ein wunderbarer Carl Hanratty! Knickebeinig, mit Bauch-Fatsuit, schlechtsitzendem Anzug und unvorteilhafter Brille ausstaffiert gibt der im wahren Leben gutaussehende Künstler den spießig-hartnäckigen FBI-Agenten als Gegenspieler zum Titelhelden ganz vortrefflich. Ausgestattet mit wohlklingendem Bariton räumt er – auch noch tanzend! – in der Nummer Brich kein Gesetz so richtig ab.
Die dritte männliche Hauptrolle, Franks Vater („Junge, wenn Du eine Uniform trägst, öffnet dies alle Türen und die Herzen der Frauen“), wird von Christian Grygas verkörpert. Auch mit dieser Besetzung hat der Casting-Verantwortliche genau das richtige Händchen gehabt – bekannt ist der Künstler durch seinen sowohl als Sprech- wie auch als Gesangsstimme wunderbar warmen satten Bariton. Man hört ihm einfach gerne zu… unabhängig davon überzeugt er auch schauspielerisch und die Szenen mit seinem Sohn gehören mit zum Besten der Show.
Die schüchterne Krankenschwester Brenda, in die sich Frank Jr. verliebt und mit der er eine Familie gründen will und deshalb seine kriminelle Karriere aufgibt, stellt Johanna Spantzel dar. Eine stimmliche Entdeckung ist sie, ihr Solo Flieg, flieg ins Glück wird vom Publikum lautstark bejubelt.
Bleiben als Sidekicks noch als Brendas Eltern Bryan Rothfuss und Cornelia Drese (ständig angeschickert mit Glas in der Hand, sehr amüsant) zu nennen, die beide auch noch in weiteren Rollen eingesetzt werden.
Und natürlich, wie auch schon erwähnt, das fabelhafte Ensemble.
Wer einen unterhaltsamen Abend mit phantastischen Darstellern, einer auf wahren Begebenheiten beruhenden amüsanten Story und ins Ohr gehende, tolle Live-Musik erleben möchte, der sollte sich schleunigst Karten sichern für Catch Me If You Can!
Catch Me If You Can läuft noch bis zum 13. September 2015. Informationen zum Stück, Spieltermine und Tickets unter
http://www.deutsches-theater.de/programm/catch-me-if-you-can-the-musical.html
Hier ist ein nettes Video zur Show zu sehen:
Die Doppel-CD der Produktion ist im Internet bestellbar bei
http://www.soundofmusic-shop.de/CD_CATCH_ME_IF_YOU_CAN_-_Original_Dresden_Cast_2015.html
(Silvia E. Loske, September 2015)
Das Deutsche Theater München veranstaltet eine Produktion der Staatsoperette Dresden in Co-Produktion mit BB Group GmbH und dem Theater in der Josefstadt.
Musical nach dem gleichnamigen Dream Works Motion Picgture, Buch von Terrence McNally, Musik von Marc Shaiman, Liedtexte von Scott Wittman und Marc Shaiman. Deutsch von Werner Sobotka
Musikalische Leitung |
Peter Christian Feigel |
Inszenierung |
Werner Sobotka |
Bühnenbild |
Walter Vogelweider |
Kostüme |
Elisabeth Gressel |
Choreographie |
Simon Eichenberger |
Light-Design |
Michael Grundner |
Sound-Design |
Martin Wingerath |
Dramaturgie |
Heiko Cullmann |
Darsteller: |
|
Frank Abagnale Jr. |
Jannik Harneit |
Carl Hanratty |
Nicolas Gerdell |
Frank Abagnale Sr. |
Christian Grygas |
Paula |
Elisabeth Markstein/Mandy Garbrecht |
Brenda Strong |
Johanna Spantzel |
Roger Strong u. a. |
Bryan Rothfuss |
Carol Strong u. a. |
Cornelia Drese |
Ensemble: Katarina Siskova, Fabiana Denicolo, Dörte Niedermeier, Teodora Koeva, Olivia Delauré, Lisandra Bardel, Hannah Kelly, Dominica Herrero Gimeno, Illya Olexiyenko, Gerd Wiemer, Christopher Busse, Patrick Stauf, Arthur Troitsky, Sergiy Tonevitskyy, Thomas Zigon. Es spielt das Orchester der Staatsoperette Dresden |