München-Premiere am 26.3.2015 im Deutschen Theater München
Kaiserin ELISABETH endlich wieder in ihrer bayrischen Heimat
Seit 1992 hinterlässt „Elisabeth“, das erfolgreichste deutschsprachige Musical mit über 10 Millionen Besuchern mittlerweile, Spuren auf Europas und Asiens Bühnen. Die nunmehr dritte Tourneeproduktion des Stücks hatte als Startpunkt den exotischen Standort Shangai, kam dann nach Essen ins dortige Colosseum-Theater und seit dem 26. März hält die berühmte rastlose Kaiserin samt ihrer Entourage für zehn Wochen im Münchner Deutschen Theater Hof.
Geadelt wurde die Premiere durch die Anwesenheit der beiden Väter des Stücks, Autor Michael Kunze und Komponist Sylvester Levay, die beim Schlussapplaus heftigst bejubelt wurden.
Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, dieses Musical begeistert immer noch und immer wieder. „Elisabeth“ ist ganz offensichtlich mittlerweile ein Klassiker, der kein bisschen Staub angesetzt hat. Im Gegenteil, man entdeckt immer wieder Änderungen. Doch sind es nicht alleine die Entwicklungen innerhalb des Stücks, die einen Musicalfan veranlassen, die Show erneut zu besuchen. Vielmehr zieht einen Handlung, Musik und Dramaturgie sofort schon beim Prolog magisch hinein in die morbide, unaufhaltsam dem Untergang entgegensteuernde Habsburger Welt mit ihrer Titelfigur, die sich gegen diese Welt auflehnt, gegen die Zwänge der Monarchie rebelliert und ihrer Zeit weit voraus war.
Sollte jemand den Inhalt des DramaMusicals noch nicht kennen, kann man hier unter der Kritik vom 22.12.2011 ausführlich nachlesen: https://www.musical-reviews.de/2012/04/05/elisabeth-im-deutschen-theater-muenchen/.
In einem ausführlichen Interview mit dem Komponisten Sylvester Levay vom Oktober 2012 gibt es interessante Hintergründe zum Stück und zur fortwährenden Optimierung, z. B. wie es zur neuen Szene „Schwarzer Prinz – Rondo“ kam, hier: https://www.musical-reviews.de/2012/10/25/interview-sylvester-levay/
Für die aktuelle Tournee konnte wieder die bewährte Kreativen-Riege, die das Musical bereits im September 1992 im Theater an der Wien zur Uraufführung brachte, gewonnen werden: Harry Kupfer führt Regie, die innovative Choreographie von Dennis Callahan wird fortgeführt, ebenso sind wieder Hans Schavernoch für das Bühnenbild und Yan Tax für die Kostüme federführend.
Bei der Besetzung der Darsteller gibt es einige wesentliche Neuerungen im Vergleich zur letzten En-suite Spielzeit in Wien. Nachdem die Holländerin Annemieke van Dam viele Jahre die Kaiserin auf der Bühne interpretierte, übernimmt mit dieser Produktion erstmalig eine deutsche Musicaldarstellerin diese begehrte, aber doch auch enorm anspruchsvolle Rolle: Roberta Valentini, gebürtige Nürnbergerin mit italienischen Wurzeln, ist die neue Kaiserin Elisabeth. Und wie sie das ist! Die Künstlerin legt behutsam neue Schichten dieser schillernden Figur frei, ist insbesondere im zweiten Akt als erwachsene Kaiserin mit ihrem Spiel schlichtweg atemberaubend. Ihre grandiose Stimme setzt sie als junger Wildfang „Sisi“ unbeschwert und leicht ein, geht dann zum Ende des ersten Aktes, wenn Elisabeth für ihre Freiheit kämpft, in eine Mittellage über, um dann im zweiten Akt mit fortschreitender Tragik im Leben der Monarchin eine Bitternis, Härte und Desillusioniertheit ihrer Stimme angedeihen zu lassen, wie man es so in dieser Rolle noch nicht erlebt hat. Traumhaft sicher führt sie ihre Stimme bei der berühmten Arie Ich gehör nur mir und bei ihrer Erkenntnis Nichts, nichts, gar nichts; kein Anflug von Anstrengung oder Schrillheit, wie es doch schon bei anderen Künstlerinnen zu hören war, trübt ihre Darbietung.
Zwei schauspielerische und gesangliche Höhepunkte sind zweifellos, neben den bereits angeführten Arien, die Korfu-Szene Wie Du, Reprise und die Totenklage in der Kapuzinergruft. Originalton Sylvester Levay bei der Premierenfeier im Gespräch mit Musical Reviews: „In diesen Szenen spielt sie nicht die Elisabeth, sie ist völlig eins mit der Figur – ich bin zutiefst beeindruckt.“
Mit ihrem fiktiven Liebhaber, dem ‚Tod’ alias Mark Seibert, stimmt die Chemie. In den gemeinsamen Szenen und Duetten werden von den beiden Künstlern gegenseitige sehnsuchtsvolle Anziehung, das Ausspielen von Macht sowie arrogante Abwehr exzellent zelebriert. Mark Seibert spielt den ‚Tod’ mit Unterbrechungen schon fast vier Jahre und neben all seiner traumwandlerischen Sicherheit auf der Bühne kann er immer noch glaubwürdig vermitteln, dass ihm diese Rolle nach wie vor große künstlerische Freude bereitet. Gesanglich überzeugt er kraftvoll beim Letzten Tanz, lässt das wohl beste Männerduett im Musicalbereich, Die Schatten werden länger mit Kronprinz Rudolf, unnachgiebig druckvoll erstrahlen und zeigt in der zart-minimalistischen, jedoch unglaublich beeindruckenden Version der Kleinen Schatten im ersten Akt beim Tod der kleinen Sophie, dass er auch nahezu A-Capella das Publikum voll in der Hand hat – man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören bei dieser Interpretation.
Thomas Hohler als der unglückselige Kronprinz Rudolf, Elisabeths einziger Sohn und Thronerbe des Kaiserreichs, liefert eine formidable Leistung ab. Mit wunderbar klarem Tenor begeistert und berührt er in seinem Solo Wenn ich Dein Spiegel wär und im Duett mit dem ‚Tod’ sind die „Schatten“ einfach ein Genuss. Den kleinen Rudolf als Kind spielte und sang am Premierenabend der kleine Jannik Schwerd, einer von sechs Buben, die sich diese Rolle teilen. Und natürlich schmilzt das Publikum – wie immer – dahin, wenn ein kleiner Pimpf klagt Mama, wo bist Du?
Die Figur des Kaisers Franz-Joseph ist nun nicht gerade dazu prädestiniert, im Stück so richtig abzuräumen. Maximilian Mann, erstmals in dieser Rolle zu sehen, macht jedoch das beste daraus und gefällt sowohl optisch als vor allem auch gesanglich als lange Zeit von seiner Mutter dominierter Herrscher. Des Kaisers Duette mit Elisabeth sind sehr gut gelungen und tun klanglich den Ohren gut, auch wenn mit Verlauf der Handlung die textlichen Inhalte des Paars – naturalmente! – deutlich auseinanderdriften.
Womit wir auch schon zu einer Besetzung kommen, die als nicht besonders glücklich konstatiert werden kann: Angelika Wedekind als Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie, enttäuscht leider. Ihr Schauspiel ist zu wenig akzentuiert, beim Gesang hat sie hörbare Mühe mit den höheren Lagen. Auch optisch entspricht sie nicht dem Bild der streng-kompromisslosen Kaisermutter.
Die Rolle des Attentäters Luigi Lucheni, der als Erzähler mit sarkastischen Kommentaren durchs Stück führt, wird am Premierenabend von Michael Souschek verkörpert. Und dies ganz hervorragend! Optik, Mimik, Spiel und Gesang passen ganz vorzüglich zusammen. Mit beissender Verachtung verhöhnt er den Hochadel, schreckt aber duckmäuserisch sofort zurück, wenn sich ihm der ‚Tod’ nähert. Kitsch, Luchenis Opener des zweiten Akts, ist ein mit dem Publikum interaktiv geführter Rock-Dialog, der die Aufmerksamkeit der Besucher sofort zu fesseln vermag. Gleiches gelingt ihm bei der Fröhlichen Apokalypse im Wiener Kaffeehaus:
In den weiteren Rollen gefällt Dennis Kozeluh, wie schon viele Male zuvor, in der Rolle des Vaters von Elisabeth, Herzog Max in Bayern. Das Ensemble ist bestens besetzt und zeigt sich überaus spielfreudig und in den vielfältigen Rollen äußerst wandelbar. Der großartige Ensemble-Titel Milch wird mitreissend dargeboten und entsprechend vom Auditorium bejubelt.
Das 18-köpfige Orchester unter dem Dirigat von Paul Christ setzt die von Sylvester Levay persönlich erstellte Orchestrierung eindrucksvoll um.
Ein Wort noch zur Konzeption des Stücks: Ein gutes Musical zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass im ersten Akt die vorkommenden Spielcharaktere, wenn es ideal läuft, umfassend, lebendig und in ihrer Psychologie nachvollziehbar gezeichnet werden, die Spannungsfelder zwischen den Personen offenbart werden, die Geschichte logisch aufgebaut wird und dies alles dem Zuschauer das Gefühl gibt, „dabei“ zu sein. Der zweite Akt sollte dramaturgisch so gesteigert werden, dass man vom Geschehen schlichtweg gebannt und gefesselt ist und die Augen nicht mehr von der Bühne wenden kann. Bei „Elisabeth“ ist dies in geradezu vorbildlicher Weise umgesetzt, ein Paradebeispiel perfekter Theaterdramaturgie.
Zum Bühnenbild gibt es zu berichten, dass die im Vergleich zur En-suite Produktion selbstverständlich stark reduzierte Ausstattung dem Erfordernis einer Tournee-Produktion geschuldet ist. Doch es ist trotzdem alles da, was das Stück benötigt – Insbesondere die absenkbare Todesfeile, die schwebende Gondel im Wiener Prater, die Drehbühne. Bei der Ungarn-Sequenz Wenn ich tanzen will gibt es anstelle des roten Doppeladlers der letzten Tourproduktion nun eine gewaltige Todeskutsche. Neue Videoprojektionen fallen positiv auf. Etwas seltsam mutet die Sitzgelegenheit für ‚Tod’ und ‚Rudolf’ am Anfang von Die Schatten werden länger an: Auf der auf der Drehbühne hereinfahrenden Todesbarke ist ein doch überaus billig aussehendes Tischchen angebracht. Dies wäre doch mit einfachen Mitteln, z. B. mit schwarzem Stoff verkleidet, sehr viel besser in die Szene zu integrieren.
Der Ton war bei der Premiere noch etwas unausgegoren. Das Orchester war zu laut ausgesteuert, die Gesangsstimmen zu leise, so dass in Teilen doch Textunverständlichkeiten zu konstatieren waren. Des Weiteren stellte sich im letzten Drittel des zweiten Aktes ein sehr unangenehmes Knacksen ein, das die Titel Mein neues Sortiment und Boote in der Nacht leider ruinierte.
Auch beim Licht zeigten sich Probleme: Mehrmals wurde der in der Bühnenmitte agierende Darsteller vom fahlen Spot nicht erfasst. Unangenehm für das Publikum zeigte sich im zweiten Akt ein grelles Licht in der Videowand, das die Zuschauer direkt blendete. Und dass man hinter der Videowand die Schatten von agierenden Bühnenarbeitern und Aufstellung für die folgende Szene beziehendes Ensemble sieht, muss auch nicht sein.
Diese kleineren technischen Unzulänglichkeiten dürften im Verlauf der Spielzeit hoffentlich verschwinden. Im Übrigen gebührt dem gesamten Bühnen- und Technikteam große Anerkennung dafür, dass pünktlich zur Premiere alles am richtigen Fleck war und die Show funktionierte. Das sah am Nachmittag vor der Premiere noch alles gar nicht danach aus – beim Press Call türmten sich noch die riesigen Bühnenteile und Requisiten im und vor dem Theater. Das sah doch sehr danach aus, dass eine Nachtschicht eingelegt werden musste, um pünktlich alles fertig zu bekommen.
Das Premierenpublikum im ausverkauften Deutschen Theater zeigte sich restlos begeistert von der Show und spendete langanhaltenden Jubel und tosenden Applaus.
„Elisabeth“ läuft noch bis zum 7. Juni im Deutschen Theater täglich außer Montags. Weitere Informationen und Tickets gibt es unter http://www.deutsches-theater.de/programm/elisabeth.html
Alle Fotos unterliegen dem Copyright von Musical Reviews!
(Silvia E. Loske, März 2015)
Semmel-Concerts Veranstaltungsservice GmbH präsentiert:
Musik |
Sylvester Levay |
Buch und Liedtexte |
Michael Kunze |
Inszenierung/Regie |
Harry Kupfer |
Musikalische Leitung |
Paul Christ |
Choreographie |
Dennis Callahan |
Associate Choreographer |
Doris Marlis |
Bühnenbild |
Hans Schavernoch |
Kostümbild |
Yan Tax |
Lichtdesign |
Hans Toelstede |
Tondesign |
Cedric Beatty |
Videodesign |
Thomas Reimer |
Darsteller: |
|
Elisabeth, Kaiserin von Österreich |
Roberta Valentini |
Der Tod |
Mark Seibert |
Luigi Lucheni |
Michael Souschek |
Franz-Joseph, Kaiser von Österreich |
Maximilian Mann |
Erzherzogin Sophie |
Angelika Wedekind |
Kronprinz Rudolf |
Thomas Hohler |
Rudolf als Kind |
Jannik Schwerd |
Herzogin Ludovika / Frau Wolf |
Caroline Sommer |
Herzog Max in Bayern |
Dennis Kozeluh |
Ensemble:Janne Marie Peters, Angelina Arnold, Anouk Roolker, Larissa Windegger, Lena Weiss, Juliane K. M. Bischoff, Alixa Kalasz, Marle Martens, Sophie Blümel, Jenny Schlensker;Wolfgang Postlbauer, Thomas Weissengruber, Florian Fetterle, Martin Markert, Krisha Dalke, Kristian Lucas, Jan Altenbockum, Christoph Apfelbeck, Fredrik Andersson, Sebastian Brandmeir. |