Premiere am 20.03.2014 im Deutschen Theater München
Der Klassiker unter den Musicals, frisch inzensiert mit atemberaubendem Tempo
Zurückgekehrt an seinen Stammsitz in der Schwanthalerstraße eröffnet das Deutsche Theater München nach fünfjähriger Generalsanierung seinen neuen Spielplan mit dem Musical-Klassiker schlechthin, der West Side Story von Jerome Robbins. München ist die letzte Station der Broadway-Cast dieser Tourneeproduktion, die in den letzten beiden Jahren erfolgreich u. a. in Frankreich, England und mehreren deutschen Städten zu sehen war. Die Show ist in englischer Sprache, unterstützend für das Publikum werden links und rechts von der Bühne die Texte in deutsch eingeblendet.
Auf dem neuesten Stand der Technik beeindruckt gleich bei den ersten Tönen aus dem Orchestergraben die hervorragende Akustik. Leonard Bernsteins Partitur hat nichts von ihrer Eingängigkeit verloren, der Wiedererkennungswert ist immens. Mit Verve und exaktem Timing führt Donald Chan seine Musiker durch den schwungvollen Abend. Die Fülle an unverwüstlichen und jedem Musikliebhaber geläufigen Evergreens wie Maria, Tonight, America, I Feel Pretty und Somewhere lässt das überwiegend ältere Premieren-Publikum in Musical-seligen Erinnerungen schwelgen.
Die Inszenierung von Joey McKneely ist ganz nah angedockt an der Originalproduktion vom Broadway aus dem Jahre 1957, jedoch schonend entstaubt und mit entsprechendem Tempo an den heutigen Publikums-Geschmack angepasst.
Allein schon durch das Bühnenbild mit den auf beiden Seiten angeordneten, verschachtelten Feuerleiter-bestückten Fassaden wird man sofort hineingesogen in die Tristesse der schäbigen New Yorker West Side.
In diesem Ambiente spielt die amerikanische Version von Romeo & Julia. Die Capulets und Montagues sind in diesem Fall zwei rivalisierende Jugendgangs – auf der einen Seite weiße Amerikaner mit polnischen Wurzeln, die Jets, auf der anderen Seite eingewanderte Puertoricaner, die Sharks. Beide Gangs beanspruchen das besagte Territorium für sich und umkreisen sich lauernd in der Einstiegssequenz des Musicals. Worte sind dabei gar nicht nötig, spiegeln doch die scharfkantigen Melodien im Verbund mit der beeindruckend exakten Choreographie der hervorragenden Cast die Testosteron-geschwängerte Hitzigkeit und Agressivität der Szenerie ausdrucksstark wider.
Zugespitzt wird das Ganze dadurch, dass sich Tony, ehemals Mitglied der Jets, und Maria, eben erst vor kurzem aus Puerto Rico in New York angekommen, auf einer Tanzveranstaltung begegnen und sich unsterblich ineinander verlieben.
Diese beiden Hauptrollen wurden am Premierenabend von Liam Tobin und Rachel Zatcoff hinreissend verkörpert. Offenbar im Verlauf der Tourproduktion neu in die Cast gekommen und bei seiner ersten Premiere als Tony präsentiert sich der junge Kanadier Liam Tobin mit geschmeidigem Tenor und frischem Spiel als Sympathieträger. An seiner Seite überzeugt Rachel Zatcoff mit klassisch ausgebildetem Sopran und dem Rollencharakter entsprechenden Liebreiz, zeigt aber auch beim tragischen Ende Stärke und Mut, wenn sie um ihren, den blutigen Bandenstreitigkeiten zum Opfer gefallenen, Tony trauert.
Das Energiebündel Anita mit Latino-Temperament und Selbstbewusstsein gibt Penelope Armstead-Williams und besticht dabei insbesondere in der rasant-ironischen America-Nummer. Ihren Loverboy Bernardo charakterisiert Charles South mit dem erforderlichen Macho-Gehabe.
Bei den „Jets“ fasziniert die jazzige, mit Fingergeschnippe und vor allem fantastisch athletisch-synchron getanzte Cool-Szene. Als charismatisch-arroganter Anführer der Jets brilliert Mark McKillop in der Rolle des Riff.
Ein atmosphärischer und vor allem gesanglicher Höhepunkt ist sicherlich am Ende des ersten Aktes die Reprise von Tonight, wenn sich nach und nach das gesamte Ensemble in den jeweiligen Gruppierungen auf der Bühne einfindet, um von den ganz unterschiedlichen Erwartungen, die jeder Einzelne an den entscheidenden morgigen Tag hat, zu erzählen.
Im zweiten Akt bleibt besonders die wunderschön umgesetzte Traumsequenz Somewhere im Gedächtnis hängen. Maria und Tony träumen sich in eine Welt, in der sie irgendwo und irgendwann unbehelligt, frei und glücklich zusammen leben können. Im Verlauf des Liedes kommen von den Seitenbühnen immer mehr ihrer Weggefährten hinzu, alle weiß gekleidet, in Freundschaft miteinander vereint – eine sehr gut gelungene, sowohl tänzerisch als auch gesanglich umgesetzte Szene.
Unaufhaltsam spitzt sich die Lage zu und steuert ihrem dramatischen Ende entgegen. Nach Tony’s Ermordung scheinen die verfeindeten Lager durch Maria’s Verzweiflung zur Besinnung zu kommen, etwas Hoffnung keimt auf, dass es doch noch zu einem friedlichen Mit- oder zumindest Nebeneinander der Gruppierungen kommen könnte.
Das Lichtdesign ist schlichtweg großartig, die Soundaussteuerung läßt ebenfalls keine Wünsche offen.
Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert und applaudierte langanhaltend mit Standing Ovations. Ein überaus gelungener Einstieg in die neue Spielsaison ist dem Deutschen Theater mit dieser mitreißenden Tour-Produktion geglückt.
Die West Side Story im Deutschen Theater München läuft noch bis zum 27. April 2014, täglich außer Montags. Informationen zum Stück, Spieltermine und Tickets unter http://www.deutsches-theater.de/programm/westsidestory.html
(Silvia E. Loske, März 2014)
Das Deutsche Theater München in Kooperation mit BB Promotion GmbH & Sundance Productions, Inc. NY präsentiert eine Produktion von Michael Brenner
Musik |
Leonard Bernstein |
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Buch |
Arthur Laurents |
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Liedtexte |
Stephen Sondheim |
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Original-Regie und Choreographie |
Jerome Robbins |
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Regie und Choreographie Tour |
Joey McKneely |
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Musical Supervisor |
Donald Chan |
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Bühnenbild |
Paul Gallis |
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Kostüme |
Renate Schmitzer |
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Ton |
Rick Clarke |
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Licht |
Peter Halbsgut |
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Darsteller: |
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Tony |
Liam Tobin |
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Maria |
Rachel Zatcoff |
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Anita |
Penelope Armstead-Williams |
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Riff |
Mark MacKillop |
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Bernardo |
Charles South |
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Doc |
Douglas Rees |
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Lieutenant Schrank |
John Wojda |
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Officer Krupke |
Mel Shradder |
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Action |
Louie Napoleon |
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Chino |
Nick Nerio |
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Ensemble: Matthew Couvillon, Michael Bullard, Beau Moddelbrook, Brandon Stonestreet, Andrew Purcell, Ben Lanham, Armando Yearwood, Chriain Elán Ortiz, Adam Soniak, Michael Juan Bishop, Travante Samale Baker, Antonio Martinez, Lauren Cannon, Dominique DeNinis, Alexa De Barr, Blue Cervini, Jessica Fiala, Hannah Balagot, Leslie Jackson, NaTonia Monét, Natalie Williams, Tiffany Mellard, Yesenia Ayala, Alessandra Valea. |