22.12.2011 (München-Premiere)
Alle tanzten mit dem Tod, doch niemand wie Elisabeth!
Seit 1992 hinterlässt „Elisabeth“, das erfolgreichste deutschsprachige Musical mit annähernd 9 Millionen Besuchern mittlerweile, Spuren auf Europas und Asiens Bühnen. Bereits 2009/2010 tourte die Aufführung in der Inszenierung von Harry Kupfer durch die Lande. Doch in der aktuellen Tourproduktion, die das Stück von Herbst 2011 bis April 2012 durch Deutschland, die Schweiz und Italien führt, kommt nun eine neue, höchst bemerkenswerte, frische und bis in die kleinsten Nebenrollen optimal besetzte Cast zum Zuge.
Die besuchte München-Premiere des Stücks führt wieder in die sehr komfortabel ausgelagerte Zeltvariante des Deutschen Theaters vor den Toren der bayerischen Hauptstadt. Es gibt dort keinen Orchestergraben, die engagiert mit sattem Sound aufspielenden Musiker sitzen für den Zuschauer unsichtbar unterhalb der beiden Seitenflügel. Manch ein Zuschauer meint während der Aufführung, die Musik käme vom Band, und ist daher bass erstaunt, als sich zum Schlussapplaus die zahlreichen Musiker auf der Bühne einfinden.
Harry Kupfer zeichnet für die Regie verantwortlich, daher ist diese Inszenierung deutlich an die Wiener Fassung angelehnt, mit reduziertem Bühnenbild und dem Fokus auf den Darstellern. Da es sich um eine Tourneeproduktion handelt ist es natürlich nachvollziehbar und logistisch erforderlich, dass nur die Bühnenbild-Fixpunkte dabei sind, nämlich die bewegliche Feile, der Habsburger Doppeladler für die Szenen Nichts ist schwer und Wenn ich tanzen will sowie die Barke des Todes. Alles Übrige wird über die sehr große, in Würfel unterteilte Projektionswand stimmig und gut gelöst. Das Lichtdesign spiegelt die dem Stück eigene Düsternis wider. Die Originalchoregraphie von Dennis Callahan wurde insbesondere bei den packenden Ensemblenummern weiter in Feinheiten optimiert.
Insgesamt ist diese Inszenierung erfrischend entstaubt, es erscheint alles leicht gestrafft, die Übergänge sind flüssig. Doch steht und fällt diese Show mit der Cast. Und diese ist schlicht und ergreifend optimal in Spielfreude und Timing, anders kann man es nicht sagen!
Ein Blick auf die Besetzungsliste bestätigt, dass am heutigen Abend die komplette First Cast auf der Bühne sein wird.
Nun also der Start in ein neues „Elisabeth“ Zeitalter. Generationenwechsel. Die bezaubernde Annemieke van Dam in der Hauptrolle der Elisabeth spielt diesen Part schon seit einigen Jahren, mit Spannung erwartet wird in der Rolle des Todes neu besetzt Mark Seibert, den Kaiser gibt mit sicherer Stimme und sensiblem Spiel Mathias Edenborn, und der Attentäter und als sarkastischer Erzähler durch das Stück führende Luigi Lucheni wird von einem Newcomer verkörpert, Kurosch Abbasi.
Es beginnt. Die Stimme des Richters aus dem Off „Aber warum Lucheni, warum haben Sie die Kaiserin Elisabeth ermordet…?“. Und dann steht auch gleich die erste positive Überraschung im Scheinwerferkegel: Kurosch Abbasi als Attentäter Luigi Lucheni. Der hochtalentierte Darsteller hat erst vor wenigen Monaten seine Musicalausbildung an der Münchner August Everding Musicalakademie abgeschlossen, dies ist seine erste große Hauptrolle, und er ist einfach nur hinreißend.
Allein schon optisch passt einfach alles. Die an den wahren Attentäter erinnernde Statur, die wirren schwarzen Locken, der Bartansatz, die wild funkelnden, schwarzen Augen. Und eine Mimik und Gestik, dass einem fast schwindlig wird. Nicht zu vergessen beherrscht er stimmlich seine Partien mit felsenfester Sicherheit. Was für eine Entdeckung!
Der Prolog startet, und die toten Zeitgenossen der Elisabeth werden kauernd auf der während des ganzen Stückes heftig in Bewegung befindlichen Drehscheibe hereingefahren, und beginnen ihren bizarren Bewegungsablauf und besingen die rätselhafte Elisabeth „Alle tanzten mit dem Tod, doch niemand wie Elisabeth!“ Und jetzt – Spot auf die Feile – da kommt er, der neue schöne Tod, Mark Seibert. „Was hat es zu bedeuten, dies’ alte Lied, das mir seit jenen Zeiten, die Brust durchglüht. Engel nennens Freude, Teufel nennens Pein, Menschen meinen, es muss Liebe sein“. Er legt seine Rolle anders an als seine Vorgänger, und das ist auch gut so. Mark Seibert gibt einen machtvollen, männlichen, keinen Widerspruch duldenden Tod, und drückt dies mit jeder Faser seines überaus anziehenden Körpers aus. Langbeinig und breitschultrig, groß, schön und blond, steht er da, geschmeidige Bewegungen fallen ihm leicht, da kommt ihm seine frühere Tanzerfahrung zugute. Nimmt er sich bei den ersten Tönen noch etwas zurück, so hat er doch das Publikum innerhalb der ersten zehn Minuten sofort in der Hand.
Unter Elisabeths Zeitgenossen im Prolog sind viele bekannte Gesichter zu entdecken: Oliver Arno, Ann Christin Elverum, Sascha Kurth, Martin Markert, Martin Pasching, Linda Konrad, Johan Vandamme. Was für ein hochkarätig besetztes Ensemble!
Lucheni und der Tod stacheln sich gegenseitig immer höher an mit ihren gesungenen Ausrufen „Elisabeth“. Wenn Blicke töten könnten…
Es folgt der Anfang der Geschichte, „Wie Du“, Vater Max in Bayern und die fünfzehnjährige Elisabeth im Duett. Max wird von Dennis Kozeluh dargestellt, ein seit Jahrzehnten mit seinem kraftvollen Bassbariton von den Bühnen Österreichs und Deutschlands nicht mehr wegzudenkender Künstler. Die junge, ungestüme Elisabeth tollt barfüssig als junger Wildfang um ihren Vater herum.
Nächste Szene, Familientreffen „Schön, Euch alle zu sehn“, Elisabeths Mutter Ludovika (Elissa Huber) prahlt vor Freunden und Verwandten damit, dass sie ihre Tochter Helene mit dem jungen österreichischen Kaiser Franz-Joseph verkuppeln wird. Elisabeth indes turnt auf einem Trapez herum und führt eine Zirkuseinlage vor – natürlich stürzt sie ab – und der Tod trägt auf seinen Armen die bewusstlose junge Elisabeth, legt sie sanft in ihr Bett. Sie kommt zu sich, und will den schönen Mann nicht gehen lassen „Wohin gehst Du, schwarzer Prinz, warum bleibst Du nicht hier? Ich hab mich in Deinen Armen wohlgefühlt…“.
Das Stück nimmt Fahrt auf, Blende an den Wiener Hof, Kaiser Franz-Joseph (Mathias Edenborn) bei einer Audienz, neben ihm seine Mutter Sophie, ständig insistierend. Die harsche und gestrenge Kaisermutter Sophie wird von Betty Vermeulen ganz hervorragend dargestellt, ebenso passt sie stimmlich und optisch nahezu perfekt.
Martin Pasching als einer der Höflinge der Hofkamarilla, Graf Grünne, katzbuckelt köstlich um den Kaiser rum und singt mit Wiener Dialekt. Der vielseitige Darsteller war schon vor 20 Jahren in der Urbesetzung des Stückes dabei.
Bad Ischl, Kaiser und Elisabeth begegnen sich erstmalig – der Kaiser soll Elisabeths Schwester Helene freien. Tut er aber nicht, sarkastisch kommentiert von Lucheni „So wie man plant und denkt, so kommt es nie!“. In der nächsten Szene das frischverliebte Paar im Wiener Prater in einer Gondel, „Nichts ist schwer, so lang Du bei mir bist“. Ein Irrtum, dem so viele Verliebte unterliegen, wenn sie im Alltag angekommen sind, wie sich alsbald auch bei unserem hochadligen Liebespaar herausstellt …
Es folgt die Hochzeit, der Tod auf der Feile, hämisch lachend und die Kirchenglocken läutend. Die Todesengel schon in der Szene, mit bizarr abgehackten Bewegungen drapieren sie Hochzeitsgewand und Schleier am Brautpaar.
Hochzeitsball im Spiegelsaal „Sie passt nicht hierher“, der Hochadel zerreißt sich die Mäuler über die zwar sehr schöne, aber äußerst unsichere Braut. Mitten im Brautwalzer gefrieren alle Anwesenden zum Stillstand, denn sowohl das blaue Licht als auch die entsprechend düsteren Klänge künden davon, dass seine Majestät der Tod samt Todesengel-Entourage die Szenerie betritt, der letzte Tanz: „Es ist ein altes Thema, doch neu für mich, zwei, die dieselbe lieben, nämlich Dich“. Und der hypnotische Tod lässt nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass er sie will, und auch letztlich kriegen wird, reißt Elisabeth herrisch wie eine Marionette herum, stößt sie zu Boden, wirbelt sie herum. Er rennt in einem Tempo auf der steilen Feile rum, dass einem ganz anders wird.
Der nächste Morgen. Die böse Schwiegermutter herrscht die noch müde, im Nachthemderl dastehende Elisabeth im Beisein von Gouvernanten und Bediensteten an „Mein Kind man schläft hier nicht so lang, ich dulde keinen Müßiggang“. Einer der berührendsten Momente folgt, als der Kaiser hinzukommt und ihn Elisabeth anfleht „hilf mir, Franz-Joseph, sieh wie Deine Mutter mich quält!“. Und ihre Bitte abschlägig beschieden wird…“also, läßt Du mich im Stich!“
Es folgt Elisabeths Verzweiflungsarie „Ich gehör nur mir“, die sich im Verlauf des Liedes zu neu erstarktem Selbstbewusstsein steigert. Annemieke van Dam mit Tränen in den Augen, darstellerisch und stimmlich einfach nur perfekt.
Lucheni schiebt einen antiken Filmvorführungsapparat herein und lässt die ersten vier Ehejahre, selbstredend sarkastisch kommentierend, vor dem Publikum ablaufen. Man erfährt, dass dem Kaiserpaar zwei Töchter geboren wurden.
Das Kaiserpaar reist nach Ungarn, mit den kleinen Töchtern. Die ungarischen Adligen murmeln sich zu „die Kaiserin ist schön, doch ihre Kinder sind krank, die Sorge macht sie noch schöner“, Es wird wieder bläulich in der Szenerie, und die unheil-dräuende Melodie ertönt – der Tod samt Todesengeln wird hereingefahren, in ihrer Mitte ein offener Kindersarg mit der toten kleinen Sophie… und Elisabeth mit markerschütterndem „neeeiiiiin“, will zu ihrem toten Kind, doch der Tod stoppt sie, kniend mit ausgestrecktem Arm, die Hand aufgestellt, „nicht weiter“ bedeutend. Und setzt an mit den „kleinen Schatten“, wunderschön… „Weißt Du noch, wie wir erbebten, als wir zwei im Tanze schwebten, Du brauchst mich, jaaa, Du brauchst mich. Gib doch zu, dass Du mich mehr liebst, als den Mann an Deiner Seite, auch, wenn Du ihm scheinbar mehr gibst, Du ziehst ihn in die Nacht – die Schatten werden länger, es wird Abend eh Dein Tag begann, die Schatten werden länger, mit Dir stirbt die Welt, halt Dich nicht fest daran!“
Dieses ganz zarte, doch gleichzeitig sehr suggestive Lied ist einer der Höhepunkte der Show, ohne Zweifel.
Die Kaffeehausszene – sehr gut inszenierte Ensemblenummer mit den wie im Autoscooter fahrenden Kaffeehaustischen mit den Wiener „Schwätzern, tagaus, tagein, hängen im Kaffeehaus rum“, und lästern über das Kaiserhaus. Und mittendrin Lucheni als Kellner, hämisch, legt sogar Hand an, er stößt einen älteren Herrn (Dennis Kozeluh) vom Stuhl und dieser segelt quer über die Bühne, Brille und Zeitung verlierend.
Mittlerweile ist auch noch ein kaiserlicher Sohn geboren, Rudolf. Und man erfährt, wie auch dieses Kind durch die Schwiegermutter der Mutter entzogen wird. Elisabeth rebelliert, und stellt ihrem Mann ein Ultimatum „ich möchte selbst über die Erziehung meiner Kinder bestimmen, lies mein Schreiben, und entscheide Dich, für Deine Mutter, oder mich“. Der Tod fährt aufreizend sitzend in seiner Todesbarke seitlich herein, und singt zärtlich einschmeichelnd „Elisabeth, sei nicht verzweifelt, ruh Dich aus in meinem Arm, ich will Dich trösten. Flieh’, und Du wirst frei sein, und alles Kämpfen wird vorbei sein, ich führ’ Dich fort aus Raum und Zeit, in eine bessre Wirklichkeit, Elisabeth, ich liebe Dich…“ Doch die junge Kaiserin begeht auf, „nein, ich möchte leben, ich bin zu jung, um aufzugeben, ich weiß’, ich kann mich selbst befrein, jetzt setz’ ich meine Schönheit ein – geh, ich will Dich nicht, ich brauch Dich nicht, geehh!“
Der Kaiser gibt nach. Apropos Rudolf: Die kleinen Rudolfs werden immer kleiner und niedlicher. Der putzige Kleine, der an diesem Abend den kleinen Rudolf darstellt (Leon-Paul Koschmann), schaut aus, als ob er grad mal fünf Jahre alt wäre. Doch ganz Profi, meistert er seinen Part grandios. „Warum darf ich denn nie zu Mama“? Das Publikum schmilzt dahin… kein Wunder.
Elisabeth setzt nun gezielt ihre Schönheit ein, um den Kaiser zu manipulieren. Auf den Gassen Wiens rottet sich das arme Volk zusammen, verlangt nach Milch für die Kinder, doch laut dem aufrührerischen Lucheni „heute keine Lieferung“, „Wollt Ihr wissen, wer die Milch Euch nimmt, die ganze Milch ist nur für sie bestimmt, sie badet darin“! „Kinder sterben, weils keine Milch gibt für sie, und sie badet darin!“ Die mitreissende Ensemblenummer gerät zum Showstopper, was für eine Energie, was für eine Geräuschkulisse durch die auf den Boden geschlagenen Blechmilchkannen, grandios!
Nächste Szene, „Schönheitskult“. Wie immer höchst amüsant das auf den Zehenspitzen hüftenwackelnd hereinwippende Zofen-Ballett, all die Schönheitsingredienzen auf den Tabletts schleppend. Und der erste Akt endet mit der im berühmten Sternenkleid gewandeten, mit den Sternen im Haar drapierten, durch den Bilderrahmen herausschreitenden Kaiserin mit der „Ich gehör nur mir“ Reprise – die beiden Männer, zwischen denen sie steht, Kaiser und Tod, mit auf der Bühne, beide beanspruchen Elisabeth für sich, doch die nunmehr stolze Kaiserin wehrt mit einer Handbewegung beide unmissverständlich ab, sie gehört nur sich selbst.
Zweiter Akt.
In Ungarn. Lucheni als sarkastischer Andenkenverkäufer springt durchs Publikum „Kitsch!“, wirft mit kaiserlichen Nippes-Souvenirs um sich, klärt das Publikum abfällig über die wahre Kaiserin auf „sie lebte von der Monarchie und richtete sich in der Schweiz ein Nummernkonto ein“ – „denn wie sie wirklich war, das werdet Ihr aus keinem Buch und keinem Film erfahren!“ Der Vorhang öffnet sich, Krönungsszene. die Menge skandiert „Ungarns Elend ist zu Ende, Eljen, Eljen, Erszebet“, und der Solotrompeter erscheint am rechten Bühnenrand, und spielt sein Solo. Der Tod steht schon auf dem großen roten Doppeladler, mitten in diesem beeindruckenden Bühnenbild. Elisabeth kommt hinzu, berauscht von ihrem Erfolg bei der ungarischen Königskrönung, und das Bolero-Duett „Wenn ich tanzen will“ nimmt seinen Lauf. Anziehung und Zurückweisung wechseln nahezu sekündlich, mühsam beherrscht muss der Tod zur Kenntnis nehmen, dass sich seine geliebte Elisabeth (noch) seinen hypnotischen Annäherungen widersetzt.
In einem Schlafzimmer der Hofburg wälzt sich der kleine Rudolf unruhig im Bettchen, und ruft vergebens nach seiner Mama. Der Tod tritt hinzu und gibt sich als Freund aus „Wenn Du mich brauchst, komm ich zu Dir“.
Elisabeth indes besucht eine Nervenklinik und wünscht sich, mit einer der Patientinnen dort, die glaubt, die Kaiserin zu sein, tauschen zu können „Ich wollt ich wäre wirklich Du, in der Zwangsjacke statt im Korsett. Dir sperrt man nur den Körper ein, mir fesselt man die Seele“.
Jetzt ist es an der Zeit, dass die Kaisermutter ihr Komplott schmiedet, die geniale Schachbrett-Reiternummer steht an. Köstlich, wie das Ensemble als Hofkamarilla um die Kaisermutter rumschwänzelt, kratzfüßig tanzt, hüpft, springt und wiehert. Graf Grünne (Martin Pasching) erklärt, dass er persönlich dem Kaiser eine Circe zuführen wird, auf dass Elisabeths Einfluss auf ihn gebrochen werde.
Was uns direkt in den Salon der Frau Wolf führt, das stadtbekannte Etablissement mit den Damen, die alle männlichen Wünsche gegen Bares erfüllen. Dumm nur, dass die Kleine, die Graf Grünne für den Kaiser aussucht, „so fiebrig heiß ist, die Kleine hat sich infiziert“, wie Lucheni fachmännisch zu berichten weiß, während Frau Wolf gefährlich nahe an seiner Hose herumnestelt.
Elisabeths Gymnastikzimmer in der Hofburg, eine hysterische Hofdame plärrt nach dem Doktor, denn Elisabeth ist beim Turnen an den Ringen ohnmächtig zusammengebrochen, sie wird auf Stühle gelegt. Der Doktor erscheint, in Cape und Hut, „was ist geschehen – lassen Sie uns allein“ – es ist, wie könnte es auch anders sein, der Tod, verkleidet als Arzt. Er steckt der blassen Kaiserin, dass ihr Mann ihr untreu war, und sie dieserhalb mit der „französischen Krankheit“ infiziert habe. Elisabeth ist empört und will es nicht glauben „das ist infam, was fällt Ihnen ein, mein Mann ist mir treu“. Tja, so kann man bzw. Frau sich irren… Sie steigert sich in ihrem verbitterten Monolog bis hin zu „ich werde ihn verlassen, oder noch besser, ich bringe mich um“! Da enttarnt sich der Arzt als der Tod, wirft Hut und Cape von sich, und insistiert „Tu es – Elisabeth, ich warte auf Dich!“. Darob erschrocken, kommt die Kaiserin wieder zu sich, trotzig schickt sie den Tod von dannen „geh“ und schmeißt ihm die Kette hinterher, dieser entschwindet wütend auf der Feile nach oben. Elisabeth wähnt sich nun frei zu tun, was ihr gefällt.
Es folgen die „Rastlosen Jahre“, Elisabeth hetzt von Ort zu Ort am Mittelmeer, ihre Hofdamen humpeln auf wunden Füssen hinterher.
Franz-Joseph stellt seine Mutter zur Rede, er erkennt, dass sie hinter der Intrige steckt. Sophie ist alt und gebrechlich, hadert mit ihrem undankbaren Sohn, und stirbt.
Nun taucht Rudolf auf, der Erwachsene (Oliver Arno, wunderbar!), der Tod sitzt aufreizend lässig in der Todeskutsche hinter ihm – der Beginn des wunderbaren Männer-Duetts „Die Schatten werden länger“. Rudolf wird vom Tod wie eine Puppe herumgeschleudert, die verzweifelte Willenlosigkeit des Thronfolgers hinterlässt einen starken Eindruck.
In Wien indes gibt es antisemitische Übergriffe, die Anhänger von Schönerer, einem Vorläufer des braunen Adolf, marschieren in grotesken Masken und im Stechschritt über die Bühne – eine ganz beklemmende Szene – zum Glück wird wieder am Ende dieser Szene NICHT geklatscht, man könnte eine Stecknadel im Publikum fallen hören.
Auf Korfu erscheint Elisabeth die Stimme ihres Vaters, während sie einen schwülstigen Brief an den von ihr verehrten Heinrich Heine schreibt.
Rudolf beklagt sein auswegloses Schicksal in der Arie „Wenn ich Dein Spiegel wär“. Elisabeth sitzt unberührt davon vor einem Spiegel, eine Zofe richtet ihr das Haar. Auf die verzweifelte Bitte ihres Sohnes „Mama, ich brauch’ Dich!“ reagiert sie nur abwehrend „dem Kaiser bin ich längst entglitten, hab alle Fesseln durchgeschnitten, ich bitte nie, ich tu’s auch nicht für Dich“. Rudolf, am Boden zerstört: „also, lässt Du mich im Stich!“
Es folgt der Totentanz, der „Mayerling-Walt“z. 6 Todesengel schwirren um den torkelnden Rudolf herum, der Revolver saust auf dem Boden von einem Todesengel zum anderen. Plötzlich steht auch der Tod mitten unter ihnen, mit dem Revolver in der Hand, packt Rudolf, schleudert ihn in einem grotesken Totentanz herum, drückt ihm den Revolver in die Hand, führt Hand und Waffe an Rudolfs Schläfe, gibt ihm einen ausführlichen Todeskuss (schmatz – laut und deutlich zu hören!), und der Schuss löst sich, Rudolf sackt tot zusammen. Unberührt schreitet der Tod von dannen, die Todesengel schleifen den toten Rudolf von der Bühne.
Totenklage, Elisabeth tief verschleiert und in schwarz, beklagt ihr Schicksal, sie macht sich Vorwürfe, dass sie ihrem Sohn nicht geholfen hat, als dieser sie darum bat. Sie schreit heraus „komm süßer Tod, verfluchter Tod, erlöse mich!“ Doch so will sie der Tod nicht haben „nein, ich will Dich nicht, nicht so, ich brauch Dich nicht, geh!“. Es wird noch weitere 10 Jahre dauern, bis der Tod Erbarmen hat mit der gebrochenen Seele, und sie zu sich nimmt.
„Boote in der Nacht“ – der mittlerweile alte, weißhaarige Kaiser ist Elisabeth ans Mittelmeer nachgereist, und versucht sie zu überreden, zu ihm zurückzukommen. Doch sie weiß, dass es zu spät ist „Dein Traum ist mir zu klein, ich will nicht Dein Schatten sein“.
Franz-Joseph erlebt in einem Albtraum den Untergang der Habsburger Welt. Während unten auf der Bühne die Apokalypse ausbricht, stehen sich oben auf der Feile die beiden männlichen Widersacher auf der Feile gegenüber, und jeder reklamiert „Elisabeth, meine Elisabeth, sie gehört mir“ für sich. Unter der Feile versammelt Lucheni alle bereits tragisch ums Leben gekommenen Verwandten der Kaiserin. Der Tod zieht das Todeswerkzeug, die Feile aus dem hinteren Hosenbund und wirft sie dem unter ihm stehenden Lucheni zu „hier, Lucheni, es ist soweit!“
Promenade am Genfer See, am 10. September 1898, ein sonniger Tag, wie Lucheni verlautbaren lässt. Die Kaiserin flaniert mit einer Hofdame am Ufer, als plötzlich von der Feile sich nach unten stürzend Lucheni ihr den tödlichen Stoß ins Herz versetzt. Sie bricht zusammen, und stirbt.
Eine Oboe läutet klagend die finale Szene ein, „Der Schleier fällt“. Der Tod betritt die Szene und verzehrt sich in Sehnsucht wartend nach Elisabeth. Diese erhebt sich langsam, streift ihr schwarzes Trauerkleid ab, öffnet ihr Haar, zögert kurz, um dann endlich dem Tod in die Arme zu fallen. „Ich weinte, ich lachte, war mutlos und hoffte neu, doch was ich auch machte, mir selbst blieb ich immer treu“. Beide: „Die Welt sucht vergebens den Sinn Deines/meines Lebens, denn ich/Du gehörst nur mir“.
Langer Todeskuss, Elisabeth sackt langsam zusammen, der Tod hält sie in seinen Armen und schreitet in die Bühnenmitte, legt die tote Elisabeth sanft auf der Drehbühne ab, sie wird mittels dieser hinter die Bühne gefahren. Gleichzeitig erhängt sich der Attentäter Luigi Lucheni oben auf der Feile stehend. Ende.
Tosender Applaus, sofortige Standing Ovations. Mark Seibert bekommt ein Handmikro gereicht und macht auf eine Spendenaktion aufmerksam zugunsten der Münchner Aidshilfe, vier seiner Kollegen würden im Gang zum Foyer stehen und sammeln.
Nach der Show hatte die Autorin noch Gelegenheit, mit einigen Darstellern und dem Komponisten des Stücks, Sylvester Levay, zu sprechen. Alle machten einen überaus glücklichen und gelösten Eindruck. Die Cast erfuhr erst kurz vor der Show, dass der Komponist im Publikum sitzen würde, und sicherlich beflügelte dies die Darsteller noch mehr.
Sylvester Levay sagte im Gespräch, dass er die letzte Zeit sehr viel mit den diversen „Rebecca“-Produktionen beschäftigt war und daher schon länger keiner „Elisabeth“-Aufführung mehr beigewohnt hatte. Umso mehr freute er sich, dass er, Originalton „heute so wunschlos glücklich bin über diese fantastische Show, diese wunderbare neue Cast“.
Silvia E. Loske
La Belle Tournee GmbH & Semmel-Concerts Veranstaltungsservice GmbH
Musik | Sylvester Levay |
Buch und Liedtexte | Michael Kunze |
Inszenierung/Regie | Harry Kupfer |
Musikalische Leitung | Daniel Behrens |
Choreographie | Dennis Callahan |
Associate Choreographer | Doris Marlis |
Bühnenbild | Hans Schavernoch |
Kostümbild | Yan Tax |
Lichtdesign | Hans Toelstede |
Videodesign | Thomas Reimer |
Darsteller: | |
Elisabeth, Kaiserin von Österreich | Annemieke van Dam |
Der Tod | Mark Seibert |
Luigi Lucheni | Kurosch Abbasi |
Franz-Josef, Kaiser von Österreich | Mathias Edenborn |
Erzherzogin Sophie | Betty Vermeulen |
Kronprinz Rudolf | Oliver Arno |
Rudolf als Kind | Leon-Paul Koschmann |
Herzogin Ludovika / Frau Wolf | Elissa Huber |
Herzog Max in Bayern | Dennis Kozeluh |
Ensemble: | |
Ann-Christin Elverum, Sophie Blümel, Alice Macura, Angela Hunkeler, Kira Primke, Linda Konrad, Marthe Römer, Sanne Mieloo, Claudia Wendrinsky, Lieselot Meurisse.Martin Pasching, Lars Rindelaub, Thorsten Tinney, Sven Fliege, Gernot Romic, Martin Markert, Jan Altenbockum, Sascha Kurth, Johan Vandamme, Martin Planz. |