Oper DON GIOVANNI

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Spielzeitpremiere 9. März 2025

© Anna Schnauss

Oper – bislang ein schwieriges Kapitel bei mir. Kann mich seit Jugend an für so ziemlich alle musikalischen Genres begeistern (außer Schlager, urgs!), Schwerpunkt wurde dann neben Funk, Soul und Pop eben das Musical.

Und ja, zurückkommend auf Oper: Schon immer rührten mich die großen Arien dieses Genres sehr an, wie „Nessun Dorma“, „Habanera„, die „Cavaradossi-Arie“, die Werke von Tschaikowski und Vieles mehr. Maria Callas, Luciano Pavarotti, anfangs auch noch Jonas Kaufmann: fantastisch. Doch szenisch wollte und konnte ich das in den vergangenen Jahrzehnten nicht ertragen.

Da geht es mir wohl in Sachen Prägung wie den Konrad Lorenz’schen Graugänschen: Die mir bislang bekannten Bilder, die ich dazu im Kopf habe, zeigen statisch auf der Bühne stehende und nach vorne singende, teils körperlich sehr umfangreiche, Sänger/innen. Das fand ich stets sehr langweilig und alles andere als inspirierend.

Die Operninszenierungen am Gärtnerplatztheater jedoch eröffnen mir nun eine neue Welt: Hier sehe ich frische, junge, agile, leidenschaftliche und lockere mit unglaublichem Talent gesegnete Sänger/innen mit großartigen Stimmen und richtigem „Leben“.

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Und zusätzlich geht es so richtig ab auf der Bühne, da darf man auch Spaß haben an Gestik und Mimik, an witzigen Regieeinfällen (ZAUBERFLÖTE: ich liebe die Tiere dort!!). Auch die CARMEN-Inszenierung konnte mich begeistern.

Und es darf auch mal provokant sein, wie bei der DON GIOVANNI Inszenierung von Herbert Föttinger, seit der Spielzeit 2017 immer wieder mal am Haus gezeigt. Okay, ich hätte jetzt barbusige Darstellerinnen nicht unbedingt gebraucht, aber mir fielen schon die ein oder anderen (männlichen) Publikums-Seufzer beim Anblick der blanken Tatsachen auf –teils mit scheelem Blick auf die danebensitzende Gattin. Doch gemach, auch maskulin optisch Ansprechendes wird geboten.

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Was für ein furioser Ritt: Skrupellos und über Leichen gehend verfolgt Don Giovanni nur ein einziges Ziel: Frauen flachzulegen. Weit über 2000 sind es bereits, sein Diener Leporello führt dazu penibel Buch (via Laptop mit dort gespeicherter Liste – wir befinden uns mit dieser Inszenierung in der Jetztzeit).

Offenbar gerade weil dieser Widerling so dermaßen egoman und bar jeglicher Empathie an die Objekte seiner Begierde herangeht, fallen diesem attraktiv-niederträchtigen Verführer die Frauen reihenweise in die Arme. Und werden von ihm benutzt, fallengelassen, gedemütigt.

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Mozarts Oper beschreibt die letzten Tage dieser Figur als einen Totentanz und Giovannis Höllenfahrt, unweigerlich treibt das Geschehen unter ständiger Zufuhr reichhaltiger Alkoholika der finalen Eskalation entgegen.

Könnte durchgehend düster und dramatisch sein, ist es aber nicht. Gerade im Zusammenspiel zwischen Giovanni und Leporello sind großartige Gimmicks eingebaut – „Stronzo!!“ wirft der von seinem Herrn und dessen unbotmäßigem Gebaren genervte Leporello der Titelfigur an den Kopf.

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Daniel Gutmann gibt hier sein Debüt in dieser Bariton-Traumrolle und ja – es ist ein Ritterschlag. Nicht nur, dass er gesanglich und darstellerisch zur Höchstform aufläuft. Nein, als ob das noch nicht genug wäre, fügt der ehemalige Leistungssportler auch noch akrobatische Sahnestückchen ein. So läuft er zum ungläubigen Staunen (Szenenapplaus!) des Publikums mal buchstäblich die Wand hoch zu einem Backflip, mäht im Sprung einen Stuhl nieder und fliegt zum Ende des zweiten Aktes rücklings und bäuchlings kreuz und quer bereits im Vor-Delirium gefühlt unaufhörlich über den Bühnenboden.

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Zusätzlich begleitet er sich auch noch selbst mit der Mandoline bei dem einschmeichelnden „Deh vieni alla finestra“. Was zur Folge hat, dass im Verlauf der Arie drei um ihn versammelte Damen sich hormongetrieben enthemmt ihrer Kleidung entledigen und schmachtend darniederliegen 😂.

Apropos Gesang: Ein befreundeter Klassik- und Opernspezialist, studierter Theaterwissenschaftler und Musiker, sagte mir dazu dies: „Ich habe noch nie einen besseren Giovanni erlebt, der bereits in so jungen Jahren dermaßen grandios die Titelpartie gesungen hat, wie Daniel Gutmann“. Ich erwähnte es ja bereits, Ritterschlag …

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Lukas Enoch Lemcke ist ein hinreißender Leporello, kassiert so einiges an Ohrfeigen und grobem Rumgeschubse von seinem Herrn und wird im Verlauf immer aufmüpfiger – gar läuft er Gefahr, anstelle von Don Giovanni aufgrund eines Kleidertausches der beiden irrtümlich von den gehörnten Ehemännern und den furiosen abgelegten Damen gemeuchelt zu werden. Die beiden Hauptdarsteller werfen sich die Bälle zu, dass es eine Freude ist. Und stimmlich ergänzen sie sich vortrefflichst.

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Die drei Damen, die von Giovanni zuerst begehrt und dann ausgemustert wurden, sind mit Sophie Rennert (grandiose Donna Elvira! Wie sie die komplette Bandbreite dieser verzweifelten, leidenschaftlichen Frau abbildet, ist fabelhaft),

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Sophia Brommer (Donna Anna)

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und Anna Tetruashvili (Zerlina) als anfangs naives und später fast schon berechnendes Girlie wunderbar besetzt.

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Gyula Rab als Annas Mann und Christoph Filler als Zerlinas Bräutigam runden das Ganze ab.

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Man merkt allen Beteiligten an, dass sie ihre zum Teil wirklich sehr herausfordernden Rollen mit großer Freude performen. Aus dem Orchestergraben wird Mozarts Partitur unter der Leitung von Rubén Dubrovsky mit Gänsehautfaktor intoniert.

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Fazit: Absolut sehens- und hörenswert! Denn genau SO!! muss Oper, um neue Zuschauer für das Genre zu begeistern.

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Video vom Schlussapplaus 9. März zu sehen auf meiner Instagram-Präsenz.

Silvia E. Loske, März 2025

Dramma giocoso

Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Lorenzo Da Ponte

Don Giovanni Daniel Gutmann / Timos Sirlantzis
Donna Anna Sophia Brommer / Jennifer O’Loughlin
Don Ottavio Gyula Rab
Komtur Holger Ohlmann
Donna Elvira Sophie Rennert / Mária Celeng
Leporello Lukas Enoch Lemcke
Masetto Jeremy Boulton / Christoph Filler
Zerlina Anna Tetruashvili