LA CAGE AUX FOLLES

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Premiere 28.02.2025

@ Markus Tordik

In den Siebzigerjahren schrieb Jean Poiret ein Bühnenstück dieses Titels, verfilmt wurde der Stoff ebenfalls mit ziemlichem Erfolg. 1983 dann gab es die Uraufführung als Musical.

La Cage aux Folles oder Ein Käfig voller Narren wird gefühlt im deutschsprachigen Raum rauf und runter totgespielt. Kein Stadt- oder Staatstheater, das nicht diesen Klassiker bereits mindestens einmal im Repertoire hatte. Nun also wagt sich auch Josef E. Köpplinger, Intendant und Regisseur im mitten in der Queer-Szene gelegenen Münchner Gärtnerplatztheater, erstmals mit – wie er sagt – großem Respekt an die Umsetzung dieses Stoffes.

Stichwort Klassiker: Wie absolut phantastisch das Haus ältere Klassiker wie Les Misérables und auch das umjubelte skurrile Die Piraten von Penzance kürzlich inszenieren konnte, ist bekannt. La Cage aux Folles bleibt im Vergleich dazu hinter den Erwartungen etwas zurück. Dies liegt in erster Linie daran, dass auf dem Stück nach heutigen Standards eine nicht zu übersehende Patina liegt. Und es darüber hinaus, nach meinem Verständnis, nicht ein Musical im herkömmlichen Sinne sondern eher ein Bühnenstück mit Revueeinlagen ist. Auch dies könnte durchaus seinen Reiz haben, wenn die Partitur nicht so betulich dahinplätschern würde.

Einziger musikalischer Dreh- und Angelpunkt der Show ist die Statement-Hymne „Ich bin was ich bin“, welche weidlich, dies natürlich völlig legitim, in Reprisen immer wieder auftaucht. Das mag man Jammern auf hohem Niveau nennen, wären doch manche Musicals mehr als froh, wenigstens einen Hit zu haben!

Nur noch zwei weitere Titel sind zumindest ein wenig bekannt, „Mascara“ und „Song on the Sand“. Wobei es mir bei Letztgenanntem fast die Nägel aufrollt, wenn wieder einmal (so scheint mir, wenn einem Songtexter so gar nichts mehr einfällt) „ladiedieda“ textlich verwurstet wird.

Der Theaterraum ist bis hoch in den dritten Rang bestückt mit Lichterketten den französischen Landesfarben rot weiß blau und vermittelt damit den Eindruck, sich direkt im Revuetheater zu befinden. Es tauchen auch immer wieder Solisten und Ensemble im Zuschauerraum auf, um diesen Eindruck zu festigen.

Per Video werden die Jahre von heute bis 1973 rückwirkend eingespielt der Meilensteine im Erringen der Akzeptanz zu diversen Lebensformen. Erschreckend aktuell dabei die wiedererstarkte Ablehnung und Ausgrenzung verursacht durch politischen Rechtsruck in vielen europäischen Ländern, ebenso wie in den USA.

Als Conferencier erscheint Georges, Nachtclubbesitzer des in St. Tropez ansässigen legendären „La Cage aux Folles“, begrüßt das Publikum und beim Heben des Vorhangs die zum Teil vom Schnürboden herabschwebenden Cagelles (Szene erinnert sehr an die am Haus gesehene Priscilla-Inszenierung):

@ Markus Tordik

Diese exzentrische Truppe von Showgirls wirft sich gekonnt in Szene, man lernt Chantal die Nachtigall, die bärtige Mercedes, die bräsig gegen den – noch unsichtbaren – Star Zaza stänkert, die dominant peitschenschwingende Hanna und die lüsterne Phädra kennen. Georges hat alle Hände voll zu tun, diesen Haufen extrovertierter Selbstdarsteller zu bändigen.

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@ Markus Tordik

Man wartet im Club wie immer auf Zaza, die als Albin Lebenspartner von Georges und wie bereits erwähnt die Diva der Showtruppe ist. Und schon ist man mittendrin in der Beziehung des langjährigen Paares, das zusammen mit Albins Zofe Jacob in St. Tropez lebt. Zaza hadert mit ihrem Älterwerden, Georges liebt Albin nach wie vor, gemeinsam erinnert man sich an die erste Verliebtheit vor über 20 Jahren in besagtem „Song on the Sand“.

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@ Markus Tordik

Das bislang alles in allem gut funktionierende Leben des Paares wird auf den Kopf gestellt, als Georges‘ 22-jähriger Sohn Jean-Michel, Ergebnis einer Affäre mit einer Tänzerin und von Albin und Georges liebevoll aufgezogen, eröffnet, dass er Anne heiraten wird. Diese ist ausgerechnet Tochter des erzkonservativen Politikers Dindon.

Und dass die zukünftigen Schwiegereltern natürlich nichts von den besonderen Lebensverhältnissen Jean-Michels „Eltern“ wissen dürfen. Sie kämen zu Besuch und man müsse dieserhalb die Fassade eines bürgerlichen Elternhauses vorspielen – Albin passt in dieses Konstrukt so gar nicht hinein … Hektisch entfernt Jacob alle freizügigen Bilder in der Wohnung und schleppt stattdessen ein riesiges Kreuz an, welches die angeblich konservativ-bürgerliche Gesinnung der Eltern belegen soll.

@ Markus Tordik

Albin soll als Onkel Al diesem Besuch beiwohnen und wird zu diesem Zweck als Kerl verkleidet. Georges instruiert Albin, sich entsprechend männlich zu geben. In dieser Szene werden alle Klischees plattgewalzt unter entsprechendem Publikums-Gejohle. Natürlich kann Albin seine gewohnten Manierismen nicht ablegen. Man ahnt schon, dass das alles gründlich schief gehen wird. Letztlich entscheidet Albin, sich als Mutter von Jean-Michel zu verkleiden, anfangs fallen die Dindon-Schwiegereltern glatt auf die Charade rein!

Doch beim auswärtigen Dinner – erforderlich geworden aufgrund Jacobs völlig in die Hose gegangener Kochkünste – im ‚Restaurant Jacqueline‘ kann Albin nicht an sich halten und kommt der Bitte von Jacqueline nach und gibt eine Shownummer zum Besten. Inklusive am Ende schwungvoller Entfernung seiner Perücke – seine Charade ist aufgeflogen. Die patente Restaurantbesitzerin Jacqueline macht Edouard Dindon klar, dass er raschest einlenken solle, ansonsten würde sie die Presse herbeirufen, um ihn in diesem Umfeld entsprechend zu kompromittieren.

Daher, natürlich vorhersehbar, tauchen die Dindons am Ende La Cage mässig kostümiert mitsamt Töchterchen Anne auf der Showtreppe auf, alle feiern zusammen das bunte Leben. Zaza natürlich als Star mittendrin.

@ Markus Tordik

Auf der Plus-Seite der Inszenierung finden sich das Bühnenbild, gute Ausleuchtung, eine schwungvoll in den Ensembleszenen umgesetzte Choreographie inklusive steppender Cagelles. Kostüme und Maskenbild spiegeln die Siebzigerjahre mit Schnäuzern und Schlaghosen, für die Shownummern sind insbesondere die Cagelles sehenswert aufgebrezelt. Bei den Zaza-Kostümen hätte man gern noch tiefer in den Chi Chi-Bereich mit Pailletten und Federn greifen können. Das Orchester unter Leitung von Jeff Frohner gibt wie immer sein Bestes. Und natürlich als Sahnehäubchen die umwerfende Cast!

Kleine Anmerkung zum Programmheft: Dies kommt hochwertig und ansprechend sogar im A4 Format daher, ist mit vielen interessanten Informationen bestückt. Leider jedoch fehlt die Songlist, dies als Anregung für künftige Erstellungen.

Zu den Darstellenden:
Sympathieträger Armin Kahl wirft sich wie immer kopfüber mit Verve in seine neue Hauptrolle, singt und spielt Albin/Zaza rollenbedingt leicht zickig, mit dem Alter hadernd, aber natürlich liebenswert. Mit dem Showstopper „Ich bin was ich bin“ am Ende von Akt 1 hat er die zentrale Nummer und berührt insbesondere ganz zu Anfang, wenn er leise ohne Orchester diese Hymne anstimmt und dabei die Perücke abnimmt.

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Ob die Paar-Konstellation mit Daniel Prohaska als Georges funktioniert? Ein ganz klares JA, obwohl ich mir da im Vorfeld nicht so sicher war. Charmant versucht der Kammersänger, die Fäden bei all dem Gewusel in der Hand zu behalten, Gesang und Schauspiel überzeugen in jeder Hinsicht.

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Heimlicher Star der Show ist Christian Schleinzer als Butler/Zofe Jacob. Hinreissend stöckelt er in verschiedenen absurden Kostümierungen durchs Geschehen, immer punktgenau kommentierend, insbesondere sein verächtlich geschnaubtes „Kollaborateur!!“ reisst das Publikum zu Lachsalven hin.

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Das junge naive Paar Jean-Michel und Anne ist mit Paul Clementi und Florentine Beyer bestens besetzt, selbiges trifft auch auf das Ehepaar Dindon zu mit dem wunderbaren Erwin Windegger und Anja Clementi. Anna Overbeck ist eine überzeugende Jacqueline, wenngleich man ihr mit dieser Topffrisuren-Perücke eine alles andere als vorteilhafte Optik verschafft hat.

Fazit:
Unterhaltsame Revue mit ambitionierter Cast, bunt und farbenprächtig inszeniert. Man tut gut daran, sich um die noch wenigen Restkarten zu bemühen, da alle Vorstellungen bereits extrem gut nachgefragt und gebucht sind.

Informationen und Tickets hier:
Gärtnerplatztheater – La Cage aux Folles

Videos vom Schlussapplaus und der Darstellervorstellung Premierenfeier zu finden auf meinem Instagram-Account.

Schlussapplaus Premiere

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Josef E. Köpplinger (Regie), Adam Cooper (Choreographie), Alfred Mayerhofer (Kostüm)

Premierenfeier

Musikalische Leitung Jeff Frohner. Christian Schleinzer, Armin Kahl

die drei großartigen Hauptdarsteller Christian Schleinzer, Daniel Prohaska, Armin Kahl

Christian Schleinzer und Armin Kahl bedanken sich bei Adam Cooper, Choreographie

Musical von Jerry Herman (Musik und Gesangstexte) & Harvey Fierstein (Buch)

Kreative:
Musikalische Leitung: Jeff Frohner
Regie: Josef E. Köpplinger
Choreographie: Adam Cooper
Bühne: Rainer Sinell
Kostüme:L Alfred Mayerhofer
Licht: Josef E. Köpplinger, Peter Hörtner
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz

Darstellende:
Georges: Daniel Prohaska
Albin/Zaza: Armin Kahl
Jacob: Christian Schleinzer
Jean-Michel: Paul Clementi
Anne: Florentine Beyer
Edouard Dindon: Erwin Windegger
Marie Dindon: Anja Clementi
Jacqueline: Anna Overbeck
Francis: Frank Berg
Babette: Frances Lucey

Les Cagelles
Diego Federico, Alexander Findewirth, Peter Neustifter, Michael B. Sattler, Fabian Koller, Johannes Summer, Riccarda Schönerstedt, David Hegyi, Matthew Jared Perko, Alexander Hille, Amelie Lambrichts, Marta Jaén Garcia

sowie:
Holger Ohlmann, Tracey Adele Cooper, Shania Ochsner, Joel Zupan, Ann-Kathrin Naidu, Niv Beili, Jaro Neuschwander, Hema Schübel, Anton Traut

Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Fotocredit: Showfotos @ Markus Tordik. Alle anderen Fotos @ Musical Reviews

Silvia E. Loske, März 2025