Oper CARMEN

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Premieren A+B 18./20. Oktober 2024

Die neben der ZAUBERFLÖTE berühmteste und erfolgreichste Oper weltweit ist CARMEN von Georges Bizet. Das Drama um die tödliche Ménage à trois der selbstbestimmten und freiheitsliebenden Carmen und ihrer beiden Liebhaber Don José und Escamillo feierte am 18. und 20. Oktober im Münchner Gärtnerplatztheater seine umjubelten Premieren – zwei an der Zahl, da die Hauptrollen doppelt besetzt sind.

CARMEN ist eine Opéra-comique in vier Akten mit Pause zwischen Akt 2 und 3, es wird in französisch gesungen und gesprochen, zur Orientierung laufen oberhalb der Bühne deutsche Übertitel.
Die Uraufführung 1875 in Paris endete in einem handfesten Skandal, das Publikum war mit einer promiskuitiven Titelheldin, die sich keinen Konventionen fügt, schlichtweg überfordert. Georges Bizet war es nicht vergönnt, den weltweiten Siegeszug seiner Oper zu erleben – er verstarb drei Monate nach der Uraufführung.

Kurze Anmerkungen vorab in eigener Sache: Da ich Musical- und nicht Opernspezialistin bin, werde ich im Nachfolgenden lediglich meine rein subjektiven Eindrücke der Aufführungen schildern und mir selbstverständlich nicht anmaßen, fachliche Beurteilungen zu liefern.

Und persönlich: Die zutiefst verabscheungswürdige Praxis des Stierkampfs mit dem qualvollen Abschlachten eines wehrlosen Tieres zur reinen Volksbelustigung gehört längst abgeschafft!
„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt“ *Mahatma Gandhi*

Zur Münchner Inszenierung: Regisseur Herbert Föttinger, Direktor des  Theaters in der Josefstadt Wien, inszeniert als Gast und verortet das Geschehen in Sevilla hundert Jahre nach dem ursprünglichen Libretto in das faschistoide Franco Regime nach dem Zweiten Weltkrieg. Föttinger hat zusammen mit Susanne F. Wolf neue Dialoge erarbeitet, für ihn steht die psychologische Herausarbeitung der handelnden Charaktere im Vordergrund nebst der Beleuchtung der politischen Hintergründe.


Die Thematik des Femizids ist leider auch in heutiger Zeit noch aktuell, daher ist die zugrundeliegende tiefgehende Aussage des Stücks weit entfernt von folkloristischer Attitüde und jeglicher vermeintlich romantisierenden Sinti & Roma Verklärung.

Der erste Akt zieht sich mit einer Spieldauer von über einer Stunde sehr in die Länge. Bühne und Kostüme sind durchgehend in Senf- bzw. Okkerfarben gehalten, die Fabrikarbeiterinnen tragen dunkelblaue Kleider. Höhepunkt im ersten Akt ist zweifellos die weltberühmte „Habanera“-Arie der Carmen, von den beiden Besetzungen Sophie Rennert und Anna-Katharina Tonauer grandios gesungen und interpretiert.

Im zweiten Akt kommt dann endlich etwas Farbe ins Geschehen, die mitreißende Flamencoszene ist in tiefrotes Licht getaucht und erntet zurecht großen Beifall.

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In den ersten beiden Akten ist das am meisten verwendete Requisit ein Stuhl – mannigfach vorhanden, wird er häufig eingesetzt: wild umher- und umgeworfen, hinterhergezogen, auch werden damit Darsteller mittels der Stuhlbeine an Wänden und auf dem Boden fixiert. Lasziv, träge, gelangweilt sitzt vorzugsweise Carmen rittlings darauf – gerne auch mal ohne Schlüpfer, dessen sie sich vor versammelter sabbernder Soldatenmenge aufreizend entledigt hatte.

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Nachfolgend mittels reichlicher Bebilderung der Verlauf des Stücks, in welchem Don José der große Loser ist: ein verweichlichtes Muttersöhnchen, das noch dazu im Soldatengehorsam hin- und hergerissen ist. Charakterlich instabil hat er seine lodernde Eifersucht nicht im Griff. Er langweilt Carmen schnell, was nicht Wunder nimmt. Sie ist eine starke unabhängige Frau, er ein Mann ohne Rückgrat. Im heutigen Duktus nennt man das eine toxische Beziehung, die hier im Stück unweigerlich im Desaster endet.

Eine weitere Hauptfigur ist die aus Don José’s Dorf stammende frömmelnde Micaela. Ein devotes Weibchen, verliebt in ihn, aber natürlich ohne jegliche Chance gegen die charismatische Carmen, auch diese Figur ist zum Scheitern verurteilt.

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Eine Kantine nahe der Tabakfabrik in Sevilla: Soldaten warten auf die Wachablösung. Eine junge Frau, Micaela, erscheint und fragt nach Sergeant Don José

Leutnant Zuniga und Sergeant Don José

Eine der Arbeiterinnen, die feurige Carmen, hat ein Auge auf Don José geworfen

„Habanera“: Carmen macht sich einen Spaß daraus, die Soldaten der Kompanie durch ihre aufreizende Art verrückt zu machen. Lediglich Don José zeigt sich (noch) unbeeindruckt.

Micaela liebt Don José, er denkt auch, dass er sie heiraten wird – es kommt anders …

Ein handgreiflicher Vorfall unter den Arbeiterinnen zwingt Don José, Carmen zu verhaften, er legt ihr Handschellen an

und verfällt ihrer lasziven Art mit Haut und Haaren

In Lillas Pastia’s Schänke erscheint der berühmte Torero Escamillo und wird sofort von allen umschwärmt – und singt großartig die „Toreador“-Arie, zweifellos einer der musikalischen Höhepunkte der Vorstellung.

Die Damenwelt zeigt sich entzückt vom Testosteron-Overflow

Escamillo sieht seitlich Carmen gelangweilt auf einem Stuhl sitzen, die einzige Person in der vollen Kneipe, die ihn, den tollen Hecht, komplett ignoriert. Was natürlich sofort seine Aufmerksamkeit und Begehrlichkeit weckt … uraltes weiblich-raffiniertes Prinzip, funktioniert immer!

er nähert sich ihr an, sie lässt ihn zappeln

sein Blick kippt begehrlich in ihr aufreizend dargebotenes Dekolleté. Er kommt ohne Umschweife zur Sache, möchte von ihr geliebt werden – was bei ihr nur geringschätzig herabgezogene Mundwinkel zur Folge hat.

Abgang Escamillo, nicht ohne zuvor wiederum die Ladies kirre zu machen.

Don José trifft auf Escamillo und bedroht diesen rasend vor Eifersucht, es kommt zum Kampf

Carmen kann im letzten Moment ein Blutbad verhindern. Escamillo und sie verbindet Freiheitsdrang und ein Leben außerhalb starrer Konventionen. Da treffen zwei Freigeister aufeinander, die leben und lieben lassen

noch allerdings hat Carmen Don José an der Backe, aber nicht mehr lange…

der innige Moment kippt seitens Carmen innerhalb weniger Sekunden, als sie erkennt, dass sie es mit einem ewigen Zauderer und Zögerer zu tun hat – nichts kann Leidenschaft schneller abkühlen … da hilft auch nicht seine inbrünstig vorgetragene „Blumenarie“

Sie macht ihm unmissverständlich klar, dass er verschwinden soll – sie hat genug von ihm

und da ist ja auch noch Zuniga, José’s Commandante, der auch bei Carmen landen will – nach einem wilden Streit mit José muss er zur Vernunft gebracht werden

Carmen legt sich die Tarot-Karten und sieht darin ihren nahenden Tod

die Freundinnen Mercédès und Frasquita versuchen, die Sache herunterzuspielen, doch Carmen ist sich sicher – sie wird bald sterben

Vor der Arena: Escamillo vertieft im Gebet, er erbittet göttlichen Beistand für den bevorstehenden Kampf

und kleidet sich dann langsam und sorgfältig an

Carmen kommt hinzu, steht ihm bei

ein letzter inniger Augenblick

sie legt ihm eine Schärpe an, die ihm Glück bringen soll

Escamillo betritt die Arena, Carmen bleibt allein vor den Toren zurück.

Verborgen hat Don José alles beobachtet, zutiefst zerfressen vor Eifersucht

er fleht sie an, zu ihm zurückzukommen. Sie widersetzt sich, wirft ihm seinen Ring vor die Füße

während aus dem Off lauthals Vivat Torero aus der Arena erschallt, ersticht José in seiner rasenden Verzweiflung hinterrücks Carmen. Escamillo erscheint aus dem Hintergrund und muss entsetzt die tödliche Tragödie wahrnehmen.

Fazit: Das stets dankbare und treue Publikum des Gärtnerplatztheaters spendet begeisterten Beifall bei beiden Premieren, ohne Zweifel hat das Haus einen weiteren großen Erfolg zu verzeichnen. Unwiderstehlich nisten sich die jedem bekannten großartigen Melodien im Gehörgang ein und verbleiben dort lange. Das hauseigene großbesetzte Orchester spielt mit Verve und Elan, wenn dann noch Chor und Extrachor einsetzen, ist das ein einziger Genuss.

Das hochwertige Solistenensemble haut einen von den Sitzen (Verzeihung für die Sprachwahl im sonst gesetzten Opern-Duktus) und wird völlig zurecht ausgiebig gefeiert, großartig! Egal in welcher Kombination die Hauptrollen-Doppelbesetzungen agieren, man ist angesichts des ausdrucksstarken Schauspiels und der sängerischen Leistungen sprachlos. Aus der durchgängig wundervollen Besetzung Einzelne hervorzuheben ist fast nicht fair, doch stechen Sophie Rennert in der Titelrolle, Kammersänger Lucian Krasznec als Don José und Publikumsliebling Daniel Gutmann als Escamillo ein wenig heraus.

Absolute Empfehlung – rasch Karten sichern, die ersten Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

Alle Fotos mit Ausnahme des ersten (Plakat – Gärtnerplatztheater, © Markus Tordik) unterliegen dem Copyright von Musical Reviews.
Die Bühnenfotos entstanden bei der Hauptprobe2 wenige Tage vor der Premiere und zeigen in den Hauptrollen Anna-Katharina Tonauer (Carmen), Alexandros Tsilogiannis (Don José) Daniel Gutmann (Escamillo), Mária Celeng (Micaela) und Holger Ohlmann (Zuniga).

Informationen zum Stück, zu Aufführungsterminen, Tickets und zu dem sehr gelungenen Trailer und der superben Stückeinführung auf Video finden sich hier:
Gärtnerplatztheater – Carmen

Impressionen von der Hauptprobe2:

Anna-Katharina Tonauer, Daniel Gutmann, Alexandros Tsilogiannis

Schlussapplaus Premiere A am 18. Oktober:

Premierenfeier nach der Premiere A am 18.10.2024:

zu Gast: Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft & Kunst, Markus Blume

Kammersänger Lucian Krasznec (Don José) & Sophie Rennert (Carmen)

Timos Sirlantzis (Escamillo)

Ludwig Mittelhammer (Moralés), Rubén Dubrovsky (Musikalischer Direktor), Ana Maria Labin (Micaela), Timos Sirlantzis (Escamillo)

Iris Baumhof (Chor) & Jeremy Boulton (Dancairo)

Schlussapplaus Premiere B am 20. Oktober:

Daniel Gutmann

Rubén Dubrovsky

Anna-Katharina Tonauer

Alexandros Tsilogiannis

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Oper von Georges Bizet, Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy

Kreativteam:

Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Regie: Herbert Föttinger
Choreographie: Karl Alfred Schreiner / Montserrat Suárez
Bühnenbild: Walter Vogelweider
Kostümbild: Alfred Mayerhofer
Licht: Michael Heidinger
Dramaturgie: Karin Bohnert, Fedora Wesseler

Darstellende:

Carmen: Sophie Rennert / Anna-Katharina Tonauer
Don José: Lucian Krasznec / Alexandros Tsilogiannis
Micaëla: Ana Maria Labin Mária Celeng
Escamillo: Timos Sirlantzis / Daniel Gutmann
Zuniga: Holger Ohlmann / Lukas Enoch Lemcke
Moralès: Ludwig Mittelhammer
Remendado: Jacob Romero Kressin
Dancairo: Jeremy Boulton
Frasquita: Mina Yu
Mercédès: Anna Tetruashvili
Casares: Frank Berg
Lillas Pastia: David Špaňhel
Flamenco Tänzerinnen: Almudena Alvarez, Ariane Cervantes, Eva Sofía Quant,
Noelia Quiró

Chor und Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Rubén Dubrovsky

Silvia E. Loske, Oktober 2024