Das Vindobona, Wien, 31. Mai 2024
Ein Mann. Eine Gitarre. Viel Musik. Viele Geschichten.
Das für Ende März 2024 angesetzte Solokonzert von Drew Sarich musste der Künstler kurzfristig aufgrund einer hartnäckigen Atemwegserkrankung absagen. Nun fand der Nachholtermin statt – selbstredend im proppevollen Vindobona, dieser gechillten Location mit feiner Speisekarte und noch feineren Cocktails.
Ich hatte es schon lange mal vor, dort einen Stop einzulegen, nun endlich hat es geklappt. Und es gefällt mir dort sehr gut. Die Leute sitzen an Vierer- und Sechsertischen mit bester Sicht auf die Bühne, darüber hinaus gibt es seitlich links und rechts eine Empore/Balkon, von dort aus garantiert auch beste Sicht. Das Personal ist freundlich und umsichtig.
Meine kleinen Bedenken, dass während der Vorstellung Geschirrgeklapper oder dergleichen den Musikgenuss stören könnte, sind völlig unbegründet. Das offenbar kundige Publikum lauscht andächtig. Also beste Voraussetzungen für einen wunderbaren Singersongwriter-Abend mit dem unvergleichlichen Drew Sarich – kann losgehen!
Eins vorneweg: Mit Ausnahme einer sehr zu Herzen gehenden Cover-Version von „Somewhere“ aus der West Side Story und einem Titel der aktuellen Produktion ebendort von Hedwig and the Angry Inch gibt es keinen weiteren Musicaltitel – und dies wird auch nicht vermisst.
Zur Erheiterung des Publikums fragt Drew, wer denn heute Abend die „Unstillbare Gier“ erwarten würde und stimmt lediglich die ersten zwei Krolock-Sätze aus „Gott ist tot“ aus dem Tanz der Vampire an „Jahrelang war ich nur Ahnung in Dir, jetzt suchst Du mich und hast Sehnsucht nach mir, nun freu Dich…“, um sofort abzubrechen – „dies muss jetzt hier reichen“ 🙂 großes Gelächter!
Und dann gibt es Feines für die Lauscher. Da steht der vielseitigste Musicalstar im deutschsprachigen Raum. Ganz pur. Nur ein Mikroständer, eine Gitarre und der Künstler mit seinem Charisma. Und füllt damit die ganze Location.
Eine Song-Programmfolge gibt es nicht, da Drew Sarich immer ganz aus dem Bauch heraus Ad hoc entscheidet, was er darbieten möchte und wird.
Aus Drews mittlerweile Jahrzehnte umspannenden, sehr reichhaltigem Singersongwriter Repertoire interpretiert er sowohl leicht Uptempo-mäßiges wie „Come on Board„, „Dancing in Ashes and Shadows“ und „Looking for Light“ als auch die sehr sanften, sensiblen, hoch in die Kopfstimme gehenden Balladen. Stellvertretend seien hier genannt das melancholische „The Deadliest of Roses“ und am Ende des Konzerts das grandiose „Silent Symphony“.
Die zweite Coverversion, die Drew hinreißend in seinem ganz eigenen Stil singt, ist „Nothing compares to you“ der kürzlich viel zu früh verstorbenen irischen Pop-Ikone Sinéad O‘Connor.
Zwischen den Songs interagiert Drew locker und entspannt, wie es seine Art ist, mit dem Publikum und erzählt Einiges aus seinem Leben.
Entwaffnend charmant begrüßt er das Publikum „Hallo, ich bin Drew – und ich bin etwas schizoid“. Berichtet reflektiert und vor allem selbstironisch darüber, wie er zwischen vielen Projekten – Musical – Songwriting – Disney-Tour – Half-Time Dragqueen (Hedwig and the Angry Inch) pendelt.
Und nimmt einen mit in das oftmals ganz anders in der Realität verlaufende Dasein als Rockstar auf Tour, wochenlang im zwar sehr komfortablen Tourbus unterwegs, jeden Abend Auftritt in einer anderen Riesenhalle, wie eben geschehen auf der Disney-Tour. Und seine immer stärker werdende Einsamkeit und das fast schmerzliche Sehnen nach dem Zuhause, den eigenen vier Wänden, den geliebten Personen dort. Und hier folgt, absolut passend, „Somewhere“ – there’s a place for us… Wunderbar.
Auch spricht er ehrlich von Fehlern, Schwächen, die man zwar mit nun beinahe 50 Lenzen gut kennen würde, aber trotzdem immer wieder erneut machen würde.
Tief unter die Haut geht seine Erzählung, weshalb ihm sein Engagement bei „Lestat“ in New York, 2006, so ungeheuer wichtig immer noch in Erinnerung ist: Seine Zwillinge waren damals gerade zwei Jahre alt, und Tochter Amelie erkrankte schwer. Zum üblichen Künstlerdasein in USA gehört, dass man dort nicht krankenversichert ist. Die Folge war eine Arztrechnung von weit über zehntausend Dollar für Amelies Behandlung. Am Tag, nachdem Drew einem Cast-Kollegen von der horrenden Rechnung erzählte, kam die ganze Cast mit einem Umschlag in der Hand auf ihn zu – darin viele tausend Dollar, welche die Kollegen und Kolleginnen in nur einem Tag für ihn gesammelt hatten.
Eine Cast sei wie eine Familie, man würde aufeinander achten, sagt Drew dazu. Was hiermit mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde.
Am Ende des Konzerts will das Publikum den Künstler nicht gehen lassen und so spielt Drew noch zwei Zugaben.
Fazit: Vor knapp zehn Jahren hatte ich bereits das Vergnügen, Drew Sarich mit seinen Songs und begleitet von seinem Endwerk-Orchester erleben zu dürfen. Nun die „pure Version“, Drew solo. Ja, erneut ein Erlebnis. Wie alles, was ich von diesem Künstler in all den Jahren sehen und hören durfte. Bitte mehr davon!
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Silvia E. Loske, Mai 2024