im Rahmen der Konzertformate „We love Musicals“
am 30. April 2024 im Festspielhaus Neuschwanstein
Die von Peter Stassen initiierte Konzertreihe „Boyband Special“ machte am 30. April Station im wunderschönen Festspielhaus Neuschwanstein. An Peter Stassens Seite die Crème de la Crème der männlichen Musicalstars: Jan Ammann, Armin Kahl und Filippo Strocchi.
Das Festspielhaus ist ohnehin Jan Ammanns zweites Wohnzimmer, bekanntermaßen verzaubert er dort in seiner Paraderolle als Ludwig2 seit Jahren das Publikum. Armin Kahl und Filippo Strocchi sind seit Jahren feste Musicalgrößen der A-Garde und brillieren in zahllosen Hauptrollen. Aktuell werden die beiden auf einer Begeisterungswelle getragen in ihren Rollen als Valjean und Javert (Filippo sogar in beiden Rollen, der absolute Wahnsinn!) am Münchner Gärtnerplatztheater im ikonischen Les Misérables. Alle Vorstellungen waren bereits lange VOR der Premiere restlos ausverkauft, was da abgeht, ist unvorstellbar.
Daher verwundert es nicht, dass Massen von (zu schätzungsweise 90% weibliche) Musicalfans dem Event entgegenfieberten und ins pittoreske Allgäu pilgerten, um genau mit diesen Publikumslieblingen in der neuen Show, die gemäß Ankündigung bigger & better sein soll, in den Party-Modus einzutauchen. Überdies hätte man – so Peter Stassen in seiner launigen Anmoderation – extensiv geshopped und in neue Kostüme investiert, was zur Folge hätte, dass man an der Show an sich nichts verdienen würde 😊.
Das Programm ist großartig zusammengestellt – wuchtige Gänsehaut-Musicalarien, in denen die Herren so richtig glänzen können, wechseln sich ab mit witzig von Filippo Strocchi choreographierten Boyband-Hits, welche tatsächlich überaus synchron getanzt werden. Sogar von einem nach eigenem Bekunden Nichttänzer wie Jan Ammann, der jedoch, laut Peter Stassen, so richtig Gas gegeben hätte in den Probentagen und dieserhalb fast nun beim Stuttgarter Ballett anheuern könnte 😊.
Jeder der vier Musicalstars bekommt jeweils ein Musical- und ein Pop- bzw. Chanson-Solo.
Schon beim Lasershow Opening bebt die Hütte und es geht los mit „We are the Heroes of our Time“ – yess! Das sind sie! Und sogleich legen die vier „Jungs“, die ja alle bereits gut über 40 sind, mit dem Take That Smashhit „Relight my Fire“ richtig los. Aus dieser Boyband-Liga kommen dann verteilt über das Konzert noch „Larger Than Life“, „If ya‘ getting down„, „Step by Step“ und Ronan Keating’s „No Matter what“ zum Einsatz, lauthals bejubelt von den längst stehenden und mittanzenden Zuschauerinnen (und den paar versprengten Zuschauer-Herren, die immerhin dezent mitwippen 😊).
Und ja, selbstverständlich fliegen zu Beginn des zweiten Teils die Kuuuscheltiere auf die Bühne, neben interessanter Lingerie – ein paar Bras in Tootsie-Größe und Feinripp-Buxen, in welche aufgrund des Umfangs auch zwei Boyband-Jungs reinpassen würden.
An internationalen Hits gibt es noch Billy Joel’s „Uptown Girl“, „(I’ve had) the Time of my Life“ und „You’re my Heart, you’re my Soul“. Die beiden letztgenannten Titel gibt es unter lautem Gelächter dargeboten von der fränggischen Lockenwickler-bestückten Reinigungsfachfrau Renaaade und ihrem höchst sparsam aus der Wäsche schauenden Mann Kalli (Armin & Peter) sowie einem entfesselt aufspielenden, entsprechend kostümierten und be-perückten Modern Talking Double – ebenfalls Armin & Peter.
Die Musical-Hymnen sind aus den Drei Musketieren „Einer für Alle und Alle für einen“, stilecht mit Degen und auf imaginären Pferden herumtrabend entern sie die Bühne, der „Engel aus Kristall“ wird von Filippo eindrücklich und sehr stimmstark interpretiert, er spielt im Sommer in Tecklenburg den Athos. Und Peter ist in prächtiger goldener Robe der sinistre Kardinal Richelieu und beschwört dessen religiösen Machtwahn in „Oh Herr„.
Etwas Neues zu entdecken gibt es für mich bei Armins Musical-Solo. Zu Beginn seiner Karriere gab er in der Spotlight-Produktion Elisabeth – Legende einer Heiligen den Prinzen Ludwig IV. Mit Krone auf dem Kopf in der Arie „Herr bewahre ihn“ rechnet er mit seinem barbarischen Vater ab, gleichzeitig jedoch ehrt er ihn, denn er bleibe sein Sohn.
Sein zweites Solo, den Ur-Münchner Hit „Skandal im Sperrbezirk“ nutzt Armin, um das Publikum so richtig zum Mitsingen der allseits bekannten Zeilen wie „unter 32168 herrscht Konjunktur die ganze Nacht“ und des Refrains zu bewegen, was allerbestens gelingt. Und, kleine Anmerkung: die Energie, mit der Armin Kahl performt, sucht ihresgleichen. Bei seinen Tanzeinlagen bleibt einem zuweilen der Mund offen stehen!
Jan, einer der bekanntesten und vor allem beliebtesten Krolocks aller Zeiten, taucht für seinen Musical Solopart erneut in die transsilvanische Blutsauger Tradition ein, in Nebelschwaden-dräuender Mystik mit Langhaarperücke und dem Grafencape zieht er alle sofort in den Bann und spricht seine „Einladung zum Ball“ aus und suggeriert den Zuschauenden eine Reise auf den Flügeln der Nacht mit keinen Widerspruch duldendem Bariton.
Sogleich gibt es im Anschluss „Gott ist tot“ und zum größten Amüsement des Publikums piepst ein Stimmchen „ich hör‘ eine Stimme, die mich ruft“. In Ermangelung einer passenden Sarah erscheint ein gar putzig kostümiertes Fledermäuschen – in welchem Filippo steckt – und versucht, zu des Grafen höchster Irritation, an Krolocks Hals zu knabbern. Köstlich!
Höchst bemerkenswert, dass Jan für sein Popsolo das wunderschöne „Summer moved on“ von der Kultband A-ha ausgewählt hat. Diese packende Pop-Hymne erkenne ich nach den ersten zwei Tönen und denke sofort: „Jan, was um Himmels Willen machst Du da – bist Du in stimmlich suizidaler Absicht unterwegs?“ Im Original getragen wird dieser ikonische Song von der kristallklaren Tenorstimme des Frontman Morten Harket (meiner unmaßgeblichen Meinung nach zusammen mit George Michael der beste Popsänger der letzten Jahrzehnte). Und dieser Titel geht für eine Baritonstimme, wie sie Jan hat, in schwindelerregende Höhen. Und dann hält er auch noch den gegen Ende des Liedes kommenden höchsten Ton bis ins gefühlt Unendliche. Hat Herr Ammann gar, wie er selbstironisch in früheren Jahren lachend erzählte, hierfür besonders enge Unterwäsche angelegt, um in die entsprechende tonale Höhe zu kommen? 😊 Schnappatmung jedenfalls – bei mir, nicht beim Künstler – und Szenenapplaus. Respekt!
Peters Musicalpart ist – wie bereits erwähnt – der Kardinal Richelieu aus den Drei Musketieren. Und zusätzlich ein „Sweet Transvestite“ in gewagter Korsage 😊.
Bei seinem weiteren Solo interpretiert er, ganz allein auf einem Barhocker sitzend, das Chanson „Domino“ seines berühmten Landsmanns Jaques Brel. Anrührend, und ein Break im Party-Modus, das Publikum lauscht und ist mucksmäuschenstill.
Filippo glänzt, wie ebenfalls bereits vorstehend beschrieben, als Athos mit seinem „Engel aus Kristall“. Zusätzlich erfreut man sich an seinem Tony Manero-Travolta aus Saturday Night Fever, stilecht im weißen Anzug, mit „Staying Alive“. Dass Filippo ein ausnehmend guter Tänzer ist und seinen trainierten Körper mit den langen Beinen bestens einzusetzen weiß, ist dem kundigen Publikum naturalmente bekannt, entsprechend bejubelt werden seine geschmeidigen Moves, in denen auch der Moonwalk zum Einsatz kommt.
Aber er kann auch ganz anders. Nämlich in seiner Muttersprache die wunderschöne Ballade „Caruso“ interpretieren, seinem italienischen Schmelz und der Stimmkraft kann man sich unmöglich entziehen. Bravissimo, grazie mille!
Alle vier Jungs schaukeln sich mit „Grande Amore“ in exaltierter Italo-Opernmacho-Attitüde gegenseitig überbietend hoch in Gestik und schmetternder Inbrunst – sehr amüsant!
Kommen wir zu den absoluten Höhepunkten des Abends: Zwei Titel aus dem so zu Herzen gehenden Mega-Musical Les Misérables werden jeweils in Duetten präsentiert: Die zwingend-packende Bariton-Arie des Inspektor Javert, „Sterne„, dabei schrauben sich Jan und Filippo gegenseitig hoch und beschwören die titelgebenden Himmelskörper.
Und dann ist da noch *schluck* ein noch nie zuvor so unglaublich zu Gehör gebrachtes „Bring ihn heim“, von den beiden aktuellen Valjeans Armin und Filippo. Ohne Worte. Und bei beiden LesMiz Hymnen hätte man während den Darbietungen die berühmte Stecknadel fallen hören. Gebannt hängt das Publikum an den Lippen der Sänger, die mit Herz und Stimmgewalt agieren. Und nach dem letzten Ton bricht lautstarker Jubel aus, Getrampel, Bravo-Rufe aus dem Festspielhaus-Auditorium. Allein schon nur wegen dieser beiden Duette hätte sich jeder Weg ins Allgäu gelohnt. Tiefe Verbeugung und Dank für diesen Genuss!
Für die beiden Zugaben rocken die Jungs nochmal so richtig ab – als Italo Rockband Måneskin, welche 2021 den ESC gewann. Filippo mit freiem Oberkörper „Honey are you coming“ und „Zitti e buoni“, die anderen drei Jungs fakend an Gitarre, Bass und Schlagzeug. Yess!
Als Fazit bleibt festzuhalten: Diese Topstars müssen niemandem mehr etwas beweisen – und genau aus diesem Grund gehen sie mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie an so ein Programm heran. Verlieren aber dabei nie ihre unglaubliche Professionalität aus den Augen und performen ihre Balladen und Hymnen mit derartiger Präzision in idealer Einheit mit Herzblut, dass man nur zutiefst beeindruckt sein kann. Der Spaß, den die vier Herren an diesem Abend auf der Bühne hatten, war nahezu mit Händen greifbar.
Im Anschluss an das Konzert nahmen sich die vier Künstler bewundernswert viel Zeit, um all die Autogrammwünsche der wartenden Fans zu erfüllen.
Lieber Peter Stassen: Bitte unbedingt mehr davon – in genau dieser Besetzung. Bitte!
Infos zu den bereits bekannten weiteren Konzertterminen hier:
http://www.artgerecht-agentur.com/we-love-musicals/
Fotos: © Musical Reviews
Silvia E. Loske, April 2024