Musical Sommer Amstetten
Deutschsprachige Erstaufführung 19.07.2023, besuchte Vorstellung 08.08.2023
Oh, what a Night!
Lang hat es gedauert, bis diese mit Awards am Broadway und am West End überhäufte und an den erwähnten Musical Standorten seit zwölf Jahren immer noch mit riesigem Erfolg laufende Show über die wahre Geschichte der FOUR SEASONS endlich nun auch im deutschsprachigen Raum ihre umjubelte erste Laufzeit hatte. Der Musical Sommer Amstetten hat sich pfiffig diese Show gesichert und man kann zu diesem Mut, ein hierzulande noch unbekanntes Musical in diesem Sommer auf den Spielplan zu setzen, nur gratulieren. Alles richtig gemacht!
Bereits in den späten 50-er Jahren gründete sich die erste Boygroup der Geschichte und diese ist bis zum heutigen Tage auch noch mit weltweit über 100 Millionen verkaufter Platten die mit Abstand erfolgreichste. Als an den Begriff „Boygroup“ noch überhaupt nicht zu denken war, etablierten die Four Seasons mit ihrem Frontman, dem mit absolut unverwechselbarer Stimme gesegneten Frankie Valli, einen vollkommen neuen Sound in der Popgeschichte, lange noch vor den Beatles.
Eigentlich wäre diese mit über 30 tollen Popsongs aus über 4 Jahrzehnten bestückte Inszenierung wieder eins dieser typischen Juke-Box-Musicals. Doch dies hier ist anders – nämlich ziemlich smart vom Buch her aufgebaut. Es wird die wahre Geschichte der Four Seasons erzählt, passend unterteilt in die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter von jeweils einem der Stamm-Mitglieder der Band. Und das ganz individuell aus der ureigensten Sicht des jeweiligen Bandmitglieds. Und das macht die Sache so spannend. Alex Balga, Intendant des Musical Sommers und für Regie und Bühnenbild bei dieser Show verantwortlich, inszeniert mit sicherer Hand seine formidable Cast, die Zeit vergeht wie im Flug und es sind keinerlei Längen zu vermerken.
Wir befinden uns in einem Club in New Jersey, Tommy DeVito, der Gründer der Band und ein ausgemachtes Schlitzohr mit kriminellem Background, daraus resultierenden Knastaufenthalten und frei von jedweden Moralvorstellungen, nimmt das Publikum mit in die Anfänge der Band. Anfangs zu dritt, nämlich DeVito selbst, sein Bruder und der Bassist Nick Massi, tingeln diese durch die Clubs mit stetig wechselnden Bandnamen, erfolgreich ist das alles nicht.
Da schleppt Nick Massi eines Tages den erst 16-jährigen Frankie Castellucio an, und preist ihn DeVito als Sänger mit engelsgleicher Ausnahmestimme an. DeVito sieht sich veranlasst, den unbedarften jungen, nun in „Frankie Valli“ umbenannten Grünschnabel, unter seine fragwürdigen abgebrühten Fittiche zu nehmen, und ihn das Leben aus seiner Sicht zu lehren. Der Mafiapate Gyp DeCarlo hält seine schützende Hand über die Jungs, natürlich völlig uneigennützig … !
Ein weiteres Talent läuft der Band über den Weg in Person des aus gutem Haus stammenden, mit guten Manieren ausgestatten Bob Gaudio. Dieser hatte bereits als 15-Jähriger einen Hit komponiert. Als Bob Frankie singen hört, weiß er: für diese Stimme werde er die genau richtigen Songs schreiben. Nach anfänglichem Geziere seitens Tommy DeVitos, der seine Stellung als unangefochtener Chef der Band durch Bob gefährdet sieht, kommt doch Bob als viertes Mitglied in die Band und durch einen Zufall stolpert man auch noch über den künftigen Bandnamen, The Four Seasons.
Als Drittem aus der Band erfahren wir die Sichtweise des Bassisten Nick Massi, der sich bislang relativ still im Hintergrund hielt. Bei einer Besprechung der Band bricht es aus ihm heraus: Geradezu mit Abscheu erfährt man von ihm, dass er mehr als zehn Jahre lang im ausgiebigen Tourleben der Four Seasons mit Tommy das Zimmer teilen musste und wie sehr ihm dessen unflätige Schlamperei gegen den Strich ging. Erschwerend kommt hinzu, dass Tommy aufgrund seiner Spielsucht und seines kompletten kaufmännischen Unvermögens die Band in den drohenden finanziellen Ruin treibt. Schulden in Millionenhöhe stehen im Raum, und wieder spielt die Mafia dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Nick hat die Nase voll und verlässt die Band.
Und dann ist es an der Zeit, dass Frankie Valli spricht. Er hat ein enges Verhältnis zum genialen Songschreiber Bob, der Frankie Hit für Hit auf den Leib schneidert. Der Bandname ändert sich aufgrund dieser kongenialen Zusammenarbeit in „Frankie Valli & The Four Seasons“. Künstlerisch und daher auch finanziell – man schafft es, die Schulden abzutragen – läuft alles bestens. Da trifft Frankie ein familiärer Schicksalsschlag: Nach seiner Scheidung war er eine neue Beziehung eingegangen, auch diese scheitert. Doch am schlimmsten trifft ihn der Drogentod seiner Tochter.
Die Story nimmt einen von Anfang an mit, wird stringent in hohem Tempo inszeniert und ist garniert mit den mitreißenden im unverwechselbaren Harmoniegesang der Four Seasons performten und zum Teil immer noch in den Charts vorhandenen Hits (erst vor kurzem stürmte eine Coverversion von „Beggin‘ “ erneut die Charts).
Bei der Auswahl der 13-köpfigen Cast hat Balga ein goldenes Händchen bewiesen, kurz gesagt: ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was man irgendwie hätte besser machen können. Einfach nur perfekt, Gratulation.
Natürlich liegt der Fokus auf der vierköpfigen Stammband, besetzt mit der sehr talentierten Crème de la Crème der neuen Musical Generation: Alexander Auler (Nick) und Fin Holzwart (Tommy) konnten gemeinsam letztens im Musical „Scholl – Die Knospe der weißen Rose“ und im vergangenen Jahr in Amstetten in „Grease“ überzeugen. Der Newcomer Lukas Mayer als Songwriter Bob Gaudio und natürlich der überragende Charles Kreische als Frankie Valli komplettieren die Combo aufs Vorzüglichste.
Flankiert werden die Vier vom energetischen neunköpfigen Ensemble, das sich die Seele aus dem Leib tanzt, spielt und singt in vielen unterschiedlichen Rollen.
Und dann noch die Band unter Leitung von Christian Frank: Meine Güte, wie großartig sie aufspielen! Das Publikum ist komplett aus dem sprichwörtlichen Häuschen und wippt und klatscht begeistert mit bei dieser wunderbaren Symbiose aus Musik und Gesang. Die unzähligen Hits wie „Sherry“, „Big Girls don’t cry“, „Walk like a Man”, “December 1963 (oh what a Night)”, “My eyes adored you”, “Beggin”, “Bye bye Baby”, “Can’t take my eyes off you”, “Working my way back to you”, “Rag Doll”, “Who loves you?” und so viele weitere kommen nahezu originalgetreu über die Bühnenrampe und sorgen für Partystimmung im Saal.
Die Bühne wird von einer einfachen Stahlbrückenkonstruktion, die gekonnt als zweite Ebene bespielt wird, bestimmt. In Windeseile erstehen auch mithilfe passender Videoprojektionen und einiger weniger herein- und wieder hinausgerollter Versatzstücke zahllose unterschiedliche Locations wie diverse Clubs, Plattenaufnahmestudio, Privatwohnungen, usw. usw. Glänzend gelöst. Dazu das ganz tolle Lichtdesign durch Michael Grundner und der bestens ausgesteuerte Ton. Eine rundum punktgenau gelungene Produktion, vor der man nur den Hut ziehen kann.
Am Ende sei erwähnt, dass der knapp 90-jährige Frankie Valli hin und wieder noch auf der Bühne steht und ohne Teleprompter und immer noch bestens bei Stimme seine Hits zur Begeisterung der Zuschauer singt. So zu erleben in einem Youtube Video vom März diesen Jahres, mit zahlreichen Stars im Publikum wie Tom Hanks und Kevin Costner, die mitgrooven und den Auftritt mit ihren Handys filmen. Wow!
Silvia E. Loske, August 2023
Schlussapplaus:
Infos: www.avb.amstetten.at/musicalsommer
Trailer:
Showfotos: © AVB Amstetten / Agentur …und Punkt
Schlussapplausfotos: © Musical Reviews
Musical von Marshall Brickman / Rick Elice (Buch) Bob Gaudio (Musik), Bob Crewe (Texte)
deutsche Übersetzung Wolfgang Adenberg
Produktion der AVB Kultur & Freizeit GmbH.
Kreative | |
Musik | Bob Gaudio |
Buch und Liedtexte | Bob Crewe |
Musikalische Leitung | Christian Frank |
Regie und Bühnenbild | Alex Balga |
Choreographie | Faye Heather Anderson |
Kostüme | Irina Hofer |
Licht | Michael Grundner |
Video | Michael Balgavy |
Sounddesign | Bernhard Weigl |
Darsteller | |
Frankie Valli | Charles Kreische |
Bob Gaudio | Lukas Mayer |
Nick Massi | Alexander Auler |
Tommy DeVito | Fin Holzwart |
Bob Crewe | Nicolas Tenerani |
Gyp DeCarlo | Oliver Huether |
Barry Belson | David Rodriguez-Yanez |
Joe Pesci | Aday Velasco |
Norm Waxman | Fabian Lukas Raup |
Nick DeVito | Thomas Wegscheider |
Mary Delgado | Barbara Castka |
Lorraine | Livia Wrede |
Francine | Maria Pambori |
Achtköpfige Band unter der Leitung von Christian Frank |