Ein fast kammermusicalisches Kleinod
Die unermüdliche Kreativschmiede von Sound of Music Concerts bringt, überaus passend zum Beginn der vorwinterlichen, ruhigen Jahreszeit, mit dem Konzept „Lebenslieder“ ein neues Konzertformat, das sich inhaltlich den leisen, nachdenklichen Tönen widmet. Fast schon als Kontrastprogramm zum erst wenige Tage zuvor erlebten Konzert „Die größten Musicalhits aller Zeiten“, in dem man mit großer Band und sattem Sound in den Blockbuster-Hits des Musicals schwelgte, kommen die „Lebenslieder“ reduziert auf das Wesentliche, nur mit Pianobegleitung, daher. Aber aufgrund des anspruchsvollen Programmkonstrukts eben dadurch auch besonders intensiv, fast schon intim.
Vier Musical-/und Popkünstler nehmen die sorgsam ausgewählten Songperlen behutsam auf und füllen sie mit ihren so unterschiedlichen Persönlichkeiten und Gesangsstilen mit Leben, Gefühlen, Erfahrungen. Es spricht für das Publikum in der gut gefüllten FILharmonie Filderstadt, dass jedem der vier SängerInnen in gleichem Maße für ihre Darbietungen applaudiert und gedankt wird, völlig unabhängig von dem jeweiligen Karrierestatus der Künstler, ganz egal, ob Der- bzw. Diejenige gefeierte Hauptrollen im Musicalbereich spielt oder mehr in der zweiten Reihe dort zu finden ist, oder ob er die Popcharts gestürmt hat. Das spielt an diesem Abend alles überhaupt keine Rolle – es geht nur um das Hier und Jetzt, um das Eintauchen in zwei wunderbar entschleunigende Konzertstunden, denen man mit geöffneten Herzen, Lächeln in den Augen und dem ein oder anderen Tränchen im Knopfloch lauscht.
Doch falsch – natürlich sind es nicht nur vier Künstler an diesem Abend auf der Bühne, sondern fünf. Marian Lux am Flügel ist ein Erlebnis – er spielt nicht mit den Händen, sondern mit seinem ganzen Körper, kann vor musikalischer Hingabe nicht still sitzen. Mit welcher Leidenschaft er die Töne liebt, die er seinem Instrument mit großer Virtuosität entlockt, ist einfach nur köstlich zu beobachten. Darüber hinaus bringt er sich bei dem ein oder anderen Titel sogar auch noch singend mit einer sehr angenehmen Zweitstimme ein und springt sofort zuverlässig soufflierend ein, wenn Jan Ammann mal wieder mit einem, wie er selbst es nennt, „Textmonster“ bei … Wie sie sagen zu kämpfen hat. Von Marian Lux wollen wir bitte künftig mehr sehen und hören, er ist ein echter Gewinn im Künstler-Portfolio von Sound of Music Concerts.
Jan Ammann, Volkan Baydar, Kerstin Ibald und Michaela Schober könnten persönlich, optisch und stimmlich nicht unterschiedlicher sein, wie schon kurz angemerkt. Doch gerade deshalb passt das alles so gut in diesem Programm und kommt als mit Herzblut geschnürtes Paket im Auditorium an.
Beginnen wir mit den Damen. Mit Eleganz und Authentizität interpretiert Kerstin Ibald insbesondere die anspruchsvollen ruhigen Balladen sehr glaubhaft, die ganz besonders gut bei ihr aufgehoben sind, wie Ich würd es wieder tun, Durch meine Finger rinnt die Zeit und Was wichtig ist. Vielleicht lag es an der Tagesform, dass an diesem Abend bei den großen Musicalarien in den Höhen einige dieser Stellen in der Frequenz leicht metallisch-schrill im Gehörgang ankamen, wie bei Gold von den Sternen und Memory.
Michaela Schober findet mit ihrem warmen und stets sicher geführten Sopran den direkten Weg ins Herz. Da steht ein Mensch auf der Bühne, der allem Anschein nach in sich ruht, und dies strahlt die Künstlerin in jedem der Lieder, die sie interpretiert, aus. Es gibt nicht den leisesten Anflug einer Textunsicherheit oder eines nicht völlig rein getroffenen Tons. Die Prise Zimt scheint wie für sie gemacht und auch mit Johnny Blue und dem größten Hit der zu früh aus dem Leben gerissenen Schlagerikone Alexandra Sehnsucht heißt das alte Lied der Taiga überzeugt sie beeindruckend.
Die Popschiene bedient Volkan Baydar, und wie er das macht, ist sehr, sehr bemerkenswert. Mit hinreissend angerauhter Stimmfarbe marschiert er mühelos von der Brust- in die Falsett-Kopfstimme und zurück, gibt mit seinen Phrasierungen jedem seiner dargebotenen Titel eine individuelle Eigenständigkeit. Eine Nummer wie Rise Like a Phoenix zu präsentieren, ist außergewöhnlich und es dürfte wohl nur wenige geben, denen das so gut gelingt, wie Volkan Baydar. Natürlich ist der Höhepunkt seiner Titel sein Riesenhit She’s Got That Light. Mehrmals habe ich das schon live von ihm gehört – doch niemals performt er es gleich, er schafft es, diesem Hit bei jeder Live-Interpretation andere Facetten zu geben. Großartig! Berührend gelingt ihm Wenn sie diesen Tango hört.
Last but not least: Jan Ammann. Sozusagen in seinem Bühnenwohnzimmer fühlt sich der in Filderstadt lebende Bariton immer ganz besonders wohl. Er wird niemals ein typisch professionelles „Bühnentier“ werden und steht immer noch mit einer gewissen Portion Scheu vor dem Publikum. Doch gerade dies macht ihn, unter anderem, offensichtlich bei seinen Fans zum Sympathieträger. Da passt es auch ins Bild, dass er zur eigenen Sicherheit den Zettel mit einer wirklich nur aus zwei Sätzen bestehenden Moderation in der Hand hält. Der gekaufte Drachen – übrigens im Programm einer von vielen Titeln des kongenialen Texters Michael Kunze – und Das ganze schrecklich schöne Leben passen sehr gut zu Jan Ammann. Und dass er sich an das Charles Aznavour Chanson … Wie sie sagen herangewagt hat, verdient Respekt.
Besonders schön wurde es im Konzertsaal der FILharmonie, neben den Soloacts der Künstler, immer dann, wenn diese vier Stimmen grandios zusammen harmonierten. Hier blieben insbesondere You Light Up My Life, Hallelujah und The Rose nachhaltig hängen.
Entbehrlich in dem ansonsten wirklich sehr liebevoll durchdacht zusammengestellten Programm sind lediglich der Hauruck-Tralala-Schlager Fahrende Musikanten (wenn auch der textliche Bezug zum ständig auf beruflicher Wanderschaft befindlichen Sänger-Völkchen nachvollziehbar ist) und der mittlerweile leicht inflationäre Griechische Wein – letzterer Titel ist einfach zu oft dargeboten worden in den diversen Konzertformaten.
Nicht unerwähnt bleiben darf – auch wenn es aufgrund der wie am Schnürchen laufenden Professionalität fast schon als Selbstverständlichkeit angesehen wird – der wie immer allerbestens von Markus Danne ausgesteuerte Sound und das stimmige Lightdesign von Matthias Vierjahn.
An alle Beteiligten: Danke für einen wunderbaren, teils richtig unter die Haut gehenden Konzertabend.
Weitere Informationen unter www.sound-of-music-concerts.de
Alle Fotos Copyright Musical Reviews
(Silvia E. Loske, November 2016)
LEBENSLIEDER – Konzept Andreas Luketa, am Flügel Marian Lux.
Teil I | Interpret |
You Light Up My Life | Jan Ammann, Volkan Baydar, Kerstin Ibald, Michaela Schober |
Memory / Erinnerung | Kerstin Ibald |
Jenseits von Eden | Volkan Baydar |
Wonderful Life | Michaela Schober |
Lieben trotzdem | Jan Ammann |
Ich würd’ es wieder tun | Kerstin Ibald |
(Ich bin ein Homo…) Wie sie sagen | Jan Ammann |
Johnny Blue | Michaela Schober |
Rise Like a Phoenix | Volkan Baydar |
Gold von den Sternen | Kerstin Ibald |
Sehnsucht heißt das alte Lied der Taiga | Michaela Schober |
Griechischer Wein | Alle |
That’s What Frieds Are For / Smile | Alle |
Winterzaubermedley | Alle |
Teil II | |
Fahrende Musikanten | Alle |
Durch meine Finger rinnt die Zeit | Kerstin Ibald |
Der gekaufte Drachen | Jan Ammann |
Ne Prise Zimt | Michaela Schober |
Wenn sie diesen Tango hört | Volkan Baydar |
Was wichtig ist | Kerstin Ibald |
Merci Cherie | Michaela Schober |
Du und ich auf einer Insel | Kerstin Ibald & Jan Ammann |
Stand By Me | Michaela Schober & Volkan Baydar |
She’s Got That Light | Volkan Baydar |
Das ganze schrecklich schöne Leben | Jan Ammann |
Hallelujah | Alle |
Zugabe | |
The Rose | Alle |