Rosenau, Stuttgart, 23. Februar 2016
Ein Soloprogramm vom ’König der Liedinterpretation’ in einer intimen Kleinkunst-Location in Stuttgart – das höchst beeindruckende Resultat davon ist allerdings „Großkunst“, wenn man mir dieses Wortspiel bitte nachsehen möchte.
Seit mehr als 30 Jahren nun schon steht Andreas Bieber auf der Bühne, und da gehört er auch hin, aber sowas von! Anfangs im Schauspiel beheimatet, überfiel ihn die Liebe zum Musicalbereich mit den drei hierzu erforderlichen Pfeilern aus Schauspiel, Gesang und Tanz ausgerechnet beim zufälligen Aufschnappen des anrührenden Titels Unusual Way, gesungen bei einem Auftritt einer damals sich noch in den Anfängen ihrer dann folgenden atemberaubenden Karriere befindlichen Pia Douwes. Geprägt durch dieses Schlüsselerlebnis, pointiert erzählt vom Künstler in einem der vielen amüsanten Einsprengseln während des Konzerts, belegte Andreas Bieber sodann den Musical-Studiengang in Wien. Dank an Pia Douwes dafür, die völlig ahnungslos diese Initialzündung ausgelöst hat und somit der deutschsprachigen Musicalwelt einen der komplettesten Künstler, der ALLES kann sowohl mit Stimme, Gestik, Mimik als auch „mit den Beinen“, bescherte.
Alle seine Erfolge der letzten drei Dekaden aufzuzählen, würde den Rahmen hier sprengen, daher nachfolgend im Schnelldurchlauf: „Joseph“ im Colosseum Theater Essen, Premierenbesetzung in Musicals von „Elisabeth“ über „Grease“ zu „Tabaluga & Lilli“, Hauptrollen in Kino- und TV-Produktionen („Hans im Glück“, „Marienhof“, u. a.), waschechter Komödiant in der deutschsprachigen Erstaufführung von Mel Brooks Musical „The Producers“, zynischer Transsexueller im Rockmusical „Hedwig and the Angry Inch“, Euphorion in Torsten Fischers preisgekrönter „Faust II“-Inszenierung und liebenswerter Visagist Fred Hofmann im Udo Jürgens Musical „Ich war noch niemals in New York“ und natürlich in all den kleinen aber feinen, dem Künstler am Herz liegenden Produktionen, wie zuletzt „Die Geschichte meines Lebens“.
Bei seinem neuen Konzertprogramm „So kann das Leben sein“ nimmt Andreas Bieber sein Publikum mit auf eine Zeitreise durch 30 Jahre Showbiz auf Musical- und Konzertbühnen sowie im Film- und TV-Bereich, mit einigen Abstechern auch hinter die Kulissen. Auf dem Weg haben sich viele Erinnerungen an Erlebtem angesammelt, eine Menge Inspirationen, die den sympathischen Künstler zu dem gemacht haben, der er heute ist – denn wer im Leben nicht seinen Weg findet, kann im Rampenlicht nicht vom Leben erzählen…
Enorm authentisch vermag es Andreas Bieber, seinen großen Stimmumfang bei so gegensätzlichen Musikstilen wie Musical, Pop, Chanson, Couplet, Swing, Ballade und auch Schlager mal melancholisch, frech, bittersüß oder einfach nur hoffnungslos verliebt absolut glaubwürdig einzusetzen. Darauf angesprochen, wie er das bewerkstelligt, zuckt der Künstler nur entwaffnend ehrlich mit den Schultern und meint „ich erzähle einfach so gern Geschichten, und dann ergibt sich beim Eintauchen in dieselben das alles von allein“.
Es ist ja so, dass viele Musicaldarsteller über eine sehr gut ausgebildete Stimme verfügen und mit ihrem Instrument Emotionen auszulösen in der Lage sind. Jedoch seinen Stimmumfang so unglaublich facettenreich – bei jedem einzelnen interpretierten Titel mit unterschiedlicher Stimmfärbung und der genau passenden Intensität – einzusetzen, das habe ich bislang nur bei Andreas Bieber erlebt. Und dann kommt da bei aller vorhandenen Empathie und Sensibilität noch dieses unfehlbare instinktive Talent zur Komik hinzu, ohne jemals auch nur ansatzweise platt zu erscheinen – was bei manchen Kollegen professionell einstudiert rüberkommt, sprudelt aus Andreas Bieber völlig natürlich einfach heraus. Eine höchst professionelle Einstellung zum Beruf (naturalmente kein einziger schiefer Ton oder gar Texthänger!), großes Tanz- und Bewegungstalent und Spontanität beim Interagieren mit dem Publikum kommen als Sahnehäubchen obendrauf auch noch dazu. Dies alles ergibt in Summe die Zutaten für den geborenen Entertainer Andreas Bieber.
Mit dem Vollblutmusiker und Komponisten Marian Lux steht dem Künstler ein kongenialer Partner zur Seite. Marian Lux spielt nicht nur mit den Händen virtuos Klavier, sondern mit dem ganzen Körper, singt die Zweitstimme, spielt überdies akustische Gitarre und ist auch noch köstlich erfrischend als spontaner „Stichwortgeber“ bei den komischen Nummern mit Andreas Bieber präsent. Man schaut Marian Lux gerne zu, da ist soviel in Bewegung, der Spaß, den er da auf der Bühne hat, blinkt ihm aus allen Knopflöchern. Da haben sich zwei gesucht und gefunden!
Als weiblicher Support verzaubert Michaela Schober mit ihrem warmen Sopran. Sehr anrührend interpretiert sie den Pe Werner-Titel Ne Prise Zimt, der von einer erwachsenen Frau erzählt, die rational dem Weihnachtstrubel aus dem Weg gehen will, aber durch eben das zufällige Aufschnappen des titelgebenden speziellen Geruchs sich einer Flut von wohligen Kindheitserinnerungen ausgesetzt sieht und letztlich daheim vor der Tür steht – „Hallo Mama, ich bin da“. Taschentuchalarm. In den Duetten mit Andreas Bieber swingt sie sich durch den schwerst zum Fingerschnippen anregenden Duke Ellington-Hit It don’t mean a Thing und präsentiert sich stimmgewaltig an Andreas Biebers Seite bei Corrida aus dem Musical „Jimmy Dean“.
Für seine Zeitreise hat Andreas Bieber eine Zusammenstellung an Titeln ausgesucht, die sowohl die Meilensteine seiner Musicalkarriere präsentieren als auch eher unbekannte, ihm aber wichtige Songperlen zu Gehör bringen. Er erzählt zwischendurch ehrlich und pointiert von seinen Anfängen bis heute und singt in vier Sprachen – auf deutsch, englisch, französisch und weanerisch – Letzteres ist ja bekanntlich ein Dialekt, der aber durch seine vielen Jahre des Studiums und der diversen Engagements in der österreichischen Hauptstadt grandios echt daherkommt. Das Publikum lacht Tränen bei der zusammen mit Marian Lux dargebotenen Winterzeit in Wien und bei dem höchst originellen Opernbesuch, bei welchem der Künstler eine keifende ältere „Frau Gemahlin“ spielt und singt als unablässig stakkatoartig während der Ouvertüre zu Rossinis „Barbier von Sevilla“ in der Wiener Oper ihren Mann abkanzelnde Bissgurkn. Zum Schreien komisch – ganz großes Kino!
In die Rubrik Erheiterndes fallen noch weitere fulminant dargebotene Titel wie Ich kann doch nichts dafür, Alles mit den Beinen, Beide Dase däuft und die urkomischen Sexgeräusche, bei diesen gibt erneut Marian Lux knochentrocken seinen Senf dazu. Herrlich!
An sehr anrührenden Balladen stellvertretend hervorzuheben sind da das von Andreas Bieber selbst getextete Fremder in der Welt, das Aznavour-Chanson Sie, The Journey Home und natürlich die von Marian Lux und Andreas Bieber selbst komponierte und getextete Nummer Die Zeit dazwischen.
Mitwippend in die Beine gehen die schwungvollen Songs Alles, was gut tut, und It don’t mean a Thing. Und überaus interessant gestaltet sich der Ausflug in die Popwelt mit drei Titeln aus dem Jahr 1998, die Andreas Bieber seinerzeit geschrieben und veröffentlicht hatte.
Daran, dass der Konzertabend so rundum wunderbar unterhaltsam, lustig und berührend im Publikum ankommt, hat Markus Danne, der SoM-Magier an der Tonaussteuerung, einen großen Anteil. Er vermag es durch seine große Erfahrung, nicht nur in großen, mit sämtlichem Equipment ausgestatteten Konzertsälen die richtige Balance zu finden. Sondern eben auch aktuell in dieser Kleinkunst-Location Rosenau es zu ermöglichen, dass man jedes einzelne gesprochene und gesungene Wort exzellent versteht, dass Marian Lux’ fulminante Tastenbearbeitung in genau der richtigen Lautstärke erklingt und in der Abmischung mit dem Gesang perfekt im Ohr der Zuhörer ankommt.
Zusammenfassend bleibt von meiner Seite festzuhalten, dass ich es trotz sehr unangenehmer Anreise von München in zuerst Dauerregen und dann Richtung Schwäbischer Alb dichtem Schneetreiben keine einzige Sekunde bereut habe, für diesen ganz besonderen Soloabend eines Ausnahmekünstlers mal eben 500km heruntergerissen zu haben. Jederzeit gerne wieder!
Hier die weiteren Konzertdaten – auf keinen Fall verpassen!
Samstag, 28.05.2016 um 19.30 Uhr im Rothneusiedlerhof, WIEN
Sonntag, 29.05.2016 um 19.30 Uhr im Katakombentheater, ESSEN
Tickets sind erhältlich über www.soundofmusic-shop.de
Silvia E. Loske, Februar 2016
Songlist
MUSIKTITEL |
Teil 1 |
Alles was gut tut |
Die Zeit dazwischen
Andreas Bieber/Marian Lux
Ich kann doch nichts dafür
Hans Pflanzer/Lothar Olias
Romantik
Queen Bee
It don’t mean a Thing – mit Michaela Schober und Marian Lux
Duke Ellington/Irving Mills
What I did for Love – Michaela Schober
Aus dem Musical “A Chorus Line”
Winterzeit in Wien – mit Marian Lux
Hape Kerkeling
Wär so gern – Medley
– Ich wär so gern wie Fred Astaire (Musical „Barbarella“)
– Ich wär so gern ein Producer (Musical „The Producers“)
– Wenn ich Dein Spiegel wär (Musical „Elisabeth“)
Fremder in der Welt
Text: Andreas Bieber
Opernbesuch
Ouvertüre Barbier von Sevilla: Gioachino Rossini, vertextet von Hugo Wiener
Ich wollte nie erwachsen sein
Aus dem Musical “Tabaluga & Lilli”
Teil 2
Joseph / Schließt jede Tür vor mir
Aus dem Musical „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“
Alles mit den Beinen
Curt Bois
Corrida – Duett mit Michaela Schober
Aus dem Musical „Jimmy Dean“
Ne Prise Zimt – Michaela Schober
Pe Werner
Pop-Medley
Andreas Bieber
Journey Home
Aus dem Musical „Bombay Dreams“
Sie
Charles Aznavour
Je Lui Dirai
Celine Dion
No Frontiers/Katie
Mary Black
Beide Dase däuft
Bernhard Bentgens
Sexgeräusche – mit Marian Lux
Malediva
So kann das Leben sein
Helene Fischer
Zugaben:
Ehrenwertes Haus
aus dem Musical “Ich war noch niemals in New York”
Die Zeit dazwischen
Andreas Bieber und Marian Lux