Filharmonie Filderstadt, 3. Mai 2015
Energiegeladene, mitreißende Zeitreise durch die Popgeschichte
Das Zeitalter der Boygroups ist vorbei – ist das tatsächlich so? Nun, hier wurde gerade aktuell eine höchst interessante Variante ins Leben gerufen. Doch diese neue Viererkombi hat gegenüber den bisherigen Gruppen einen eklatanten und nicht zu überhörenden Vorteil: Alle vier Mitglieder sind mit weitaus grandioseren Stimmen ausgestattet, als dies jemals bei den unter den Begriff Boygroup fallenden Formationen der Fall war (mea culpa, Robbie Williams…).
Man nehme: Drei seit vielen Jahren im deutschsprachigen Musical erfolgreiche Stars mit ausgebildeten Stimmen und Crossover-Qualitäten und mixe dazu einen hochmusikalischen Songwriter und Popsänger. Das Ergebnis ist das neueste Produkt der Kreativenschmiede von Sound of Music Concerts rund um Masterbrain Andreas Luketa: The Milestones Project. In der Entwicklungsphase lange unter dem Arbeitstitel „Das Bubenprojekt“ laufend 🙂
Die vier Sänger der Milestones sind Jan Ammann, Andreas Bieber und Mark Seibert, Leading Men aus dem Musical, sowie Volkan Baydar, der im Popbereich große Erfolge mit seinem Projekt ‚Orange Blue‘ feierte. Das Konzept der Milestones bedient den Ensemble-Charakter. Bedeutet, dass zwar jeder der vier Sänger Soli performt, aber der weit überwiegende Großteil des Programms als vielstimmige Harmonien mit Beteiligung aller Sänger arrangiert ist. Duette gibt es natürlich auch.
Auf jeglichen Schnickschnack wird verzichtet, weder Requisiten noch Projektionen oder aufwendige Kostümwechsel (die Protagonisten tragen dunkle Jeans, weißes Hemd, dunkle Weste bzw. im zweiten Teil schwarzes Jackett) lenken vom Dreh- und Angelpunkt der Show ab: den herausragenden Stimmen der vier Solisten.
Das offensichtlich wohlfeil ausgetüftelte Programm soll eine Hommage an die internationalen und nationalen Meilensteine der Popmusik darstellen. Herausgekommen ist eine Zeitreise der größten Hits mit einem gespannten Bogen durch die Siebziger, über die Achtziger und die Neunziger-Jahre bis in die Gegenwart. Gespickt mit geschickt integrierten Songperlen, die nicht so bekannt sind, aber den Interpreten am Herz liegen.
So findet sich im Programm auch ein kleiner Block mit drei Musicaltiteln, bestehend aus einem Medley des Musicals ‚HAIR‘ – die daraus vorgestellten Titel haben es allesamt auch in die Pop-Charts geschafft und sind wahre Evergreens. Zwei Balladen aus der Feder von Eric Woolfson (verkaufte über 50 Millionen Tonträger zwischen 1985 und 1995 als Kopf des innovativen ‚Alan Parsons Project‘), der sich nach seiner Popkarriere dem Musical zuwandte, finden sich in diesem Block – aus den hierzulande weniger bekannten Stücken ‚The Gambler‘ und ‚Poe‘.
Bereits beim Opener Edge of Glory von Lady Gaga ist ordentlich Stimmung im Publikum. Die Titel des anschließenden Flower-Power-Blocks der späten Sechziger, beginnenden Siebziger-Jahre sind möglicherweise der jüngeren Generation nicht so präsent, jedoch spätestens beim Mega-Hit San Francisco schwelgen alle in der ganz besonderen Aufbruchstimmung der damaligen Epoche.
Aus den bereits vorstehend erwähnten Musicaltiteln setzt Mark Seibert als Solist bei Immortal mit seinem emotional-ausdrucksstarken, bis in große Höhen kraftvollen und sicheren Tenor ein erstes Ausrufezeichen.
Ein seeliger Andreas Bieber („Willkommen in den Achtzigern, ich bin sowas von zuhause!“) läutet die Dekade ein, die in der Popmusik wie niemals zuvor oder danach eine gewaltige Menge an Hits in die Charts spülte, die sich wirklich in jedem musikalischen Gedächtnis eingebrannt haben. Auch war dies die Ära der Mega-Stars wie Madonna, Michael Jackson, Whitney Houston, um nur einige der wichtigsten zu nennen.
Aus der unglaublichen Fülle an Hits aus diesem Jahrzehnt dürfte die Auswahl wohl nicht leicht gefallen sein. Natürlich muss ein Madonna-Medley dabei sein – gleich der erste Titel daraus, Like A Virgin, sorgt für größere Erheiterung im Saal – interpretiert von den „Buben“ hat das doch schon eine besondere Note.
Jan Ammann wagt sich an eine der größten Hymnen von Whitney Houston heran. One Moment In Time schraubt sich im Songverlauf immer mehr empor, was alles andere als einfach zu singen ist. Jan Ammann bewältigt diese Herausforderung großartig, da sitzt jeder Ton genau da, wo er sein soll.
Nach John Farnham’s Uptempo-Hit You’re The Voice, der perfekt zu Mark Seiberts Stimmlage passt und bei dem der smarte Sänger dabei von seinen drei Kollegen in den Backings wunderbar unterstützt wird, neigt sich der erste Teil des Abends auch schon dem Ende zu. Michael Jackson’s Man In The Mirror in der Interpretation der vier Künstler entlässt das Publikum mit seiner eindringlichen Message in die Pause.
Der zweite Konzertteil setzt noch eins drauf, denn jetzt wechseln sich Gänsehaut-Balladen mit mitreißenden Rock-Titeln ab – und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Im Country-Block erlebt man ein Wechselbad der Gefühle: Während bei No No Never (Lead Vocals Andreas Bieber) von Texas Lightning und der Country-Hymne schlechthin, Country Roads Take Me Home von John Denver, alle mitklatschen und -singen, läuft es einem bei der traurig-melancholischen Ballade Whiskey Lullaby von Brad Paisley, im Duett wunderbar performt von Jan Ammann und Mark Seibert, eiskalt den Rücken herunter: „He puts the bottle to his head and pulls the trigger“… wow!
Im Neunziger-Block weht der Wind of Change durch die Filharmonie, glücklicherweise kriegt Andreas Bieber mit seiner Pfeifeinlage gerade noch die Kurve, nachdem viele aufgeblasene Backen nichts zustande bringen :-))
Jetzt wird’s bombastisch. DER Abräumer des Abends schlechthin ist die Metallica-Hymne Nothing Else Matters. Was Jan Ammann und Volkan Baydar daraus machen, ist schlichtweg atemberaubend. Die beiden brettern sich die Seele aus dem Leib, die Stimmen bilden eine perfekte Symbiose für diesen Mega-Titel. Und die wimmernde E-Gitarre von Hannes Kühn ist noch das Sahnehäubchen obendrauf. Ich ziehe meinen (virtuellen) Hut vor dieser Leistung.
Mit einer sehr ironisch-witzigen Anmoderation leitet Mark Seibert in das folgende Boygroup-Medley über: „Was die konnten, können wir schon lange. Und wir sind ja auch alle zwischen Anfang und Mitte 20…“. Partystimmung in der Filharmonie, alles steht, wippt, singt und tanzt mit. Die ganz spezifischen Boygroup-Moves werden vom geschmeidigen Mark Seibert und vom Bewegungstalent Andreas Bieber – sehr zum Amüsement der Zuschauer – mehrfach angedeutet. Jan Ammann meint, er wäre „too sexy for his shirt“ und sowieso und überhaupt “too sexy for this song” – breit begrinst von seinen Kollegen. Was für ein Spaß ist dieses Medley für alle, auf der Bühne und im Publikum, bei der Auferstehung der Boygroup-Spezies!
Der German Pop-Block überrascht durch die Titelauswahl: Klar, dass Abenteuerland von PUR dabei sein muss, und auch Millionen Lichter bringen gehörigen Schwung in die Bude. Doch den Gabalier-Titel I sing a Liad für Di hätte wohl niemand erwartet – und gerade deshalb können sich die meisten vor Begeisterung über Andreas Biebers umwerfende Gesangs- und Tanznummer nicht mehr auf ihren Sitzen halten. Rundum überzeugend in Dialekt, Stimmgewalt, Mimik und Bewegung haut Andreas Bieber augenzwinkernd diesen Gassenhauer raus. Wieder einmal beweist der quirlige Künstler, dass er der geborene Entertainer ist.
Dann ist es Zeit für Volkan Baydars eigenen Riesenhit She’s Got That Light. Völlig versunken und der Bühne entrückt performt er mit grandioser Popstimme – ein weiteres Highlight des Abends.
Auch wenn Graf Krolock heute Abend nicht mit von der Partie ist, so kommt man doch nicht ganz ohne einen Grafen aus – Geboren um zu leben passt natürlich wie das sprichwörtliche i-Tüpfelchen auf Jan Ammanns Bariton.
Unter großem Jubel ist damit der offizielle Teil des Programms beendet – wo zum Henker ist nur die Zeit wieder geblieben? Doch selbstverständlich gibt es Zugaben im „Milestones-Medley“. Jeder der vier Sänger leitet als Solist noch vier Mega-Hits ein und die Buddies steigen mit ein. Thank You For The Music, Milestones-Buben!
Und weil das Publikum sie gar nicht gehen lassen will, stimmen die Vier nochmal eine Kurzversion des treibenden Relight My Fire an.
Dieses neue Konzertformat stößt auf überwältigende Resonanz. Wieder einmal hat Sound of Music Concerts den genau richtigen Riecher gehabt. Mit den bewährten Musikern Mario Stork (Musikalische Leitung, Keyboard und Gitarre), Matthias Plewka (Drums), Christian Niehues (Bass), Hannes Kühn (Gitarren) und erstmals mit dabei Sebastian Hartung (Keyboard), einer wieder bestens ausgewogenen Lichtregie (Markus Danne) und Tonaussteuerung (Matthias Vierjahn) sowie den vier Ausnahmesängern, die sichtbar für jedermann enormen Spaß an diesem Programm haben, ist ein großer Wurf gelungen.
Und da es noch so unendlich viele weitere Pophits gibt, die als Meilensteine in die Musikgeschichte eingegangen sind, darf man sich mit Sicherheit auf eine Fortschreibung des Programms freuen.
Die weiteren Termine des aktuellen The Milestones Project Programms sind:
16.5. Oberhausen, Ebertbad
17.5. Wien, Theater Akzent
23.5. Filderstadt, Filharmonie
24.5. Berlin, Admiralspalast
Tickets und weitere Informationen unter www.sound-of-music-concerts.de
(Silvia E. Loske, Mai 2015)
Hier gibt es einen Konzert-Trailer des Milestones Projects:
https://youtu.be/KngaKwox8m4
Hier geht’s zur Fotogalerie
Alle Fotos unterliegen dem Copyright von Musical Reviews
Teil I | Interpret |
Edge of Glory | Jan Ammann, Volkan Baydar, Andreas Bieber, Mark Seibert |
Arms Of Mary | Alle |
San Francisco | Alle |
Those Were The Days | Alle |
HAIR-Medley (Acquarius, Good Morning Starshine, Let The Sunshine In) |
Alle |
The Golden Key | Jan Ammann & Volkan Baydar |
Immortal | Mark Seibert |
Send Me An Angel | Alle |
Forever Young | Volkan Baydar |
MADONNA-Medley (Like A Virgin, Material Girl, Isla Bonita, Holiday) |
Alle |
One Moment In Time | Jan Ammann |
You’re The Voice | Mark Seibert |
Man In The Mirror | Alle |
Teil II | |
This Is Country Music | Alle |
No No Never | Andreas Bieber. Backings: Ammann, Baydar, Seibert |
Whiskey Lullaby | Jan Ammann & Mark Seibert |
Country Roads, Take Me Home | Volkan Baydar & Andreas Bieber |
Wind Of Change | Alle |
Nothing Else Matters | Jan Ammann & Volkan Baydar |
Killer / Papa Was A Rollin’ Stone | Andreas Bieber & Mark Seibert |
BOYGROUP-Medley (Love Is All Around, Quit Playing Games, I’m Too Sexy, Back For Good, Relight My Fire) |
Alle |
Abenteuerland | Alle |
Millionen Lichter | Mark Seibert |
I sing a Liad für Di | Andreas Bieber |
She’s Got That Light | Volkan Baydar |
Geboren um zu leben | Jan Ammann. Backings: Baydar, Bieber, Seibert |
Zugabe | |
MILESTONES-Medley (I Have A Dream, Imagine, Thank You For The Music, We Are The World) |
Alle |