„FARBENBLIND”, Jan Ammann
CD, Soloalbum, Februar 2014
53 Minuten Laufzeit, 13 Titel + 1 Bonustrack
Standard-CD-Case mit achtseitigem Booklet mit Schwarz/Weiß- und Farbfotos, Danksagung und Credits.
Produziert von Andreas Luketa Productions
Ein etablierter Musicalstar, der ein komplettes Album mit eigens für ihn geschriebenen Liedern vorlegt – kein einziger Musicaltitel befindet sich auf der mittlerweile dritten CD von Jan Ammann. Ungewöhnlich, allemal. Denn MusicalsängerInnen gehen so gut wie immer, wenn sie die Möglichkeit zur Aufnahme eines Soloalbums haben, vorbezeichnete Wege und verwenden dafür Musicaltitel, die besonders gut zu ihrem Stimmumfang passen, die sie gerne und gekonnt interpretieren.
Jan Ammann wagt es, diese vorbezeichneten Wege zu verlassen und neben seiner Musicalkarriere neues Terrain zu erkunden. Seinen klassisch ausgebildeten und auf den deutschsprachigen Musicalbühnen bewunderten kraftvollen Bariton lässt er für dieses Album ganz bewusst in der Schublade. Die Farbenblind-Titel spannen den Bogen von anspruchsvollem Deutsch-Pop in Form nachdenklicher Balladen und ins Ohr gehenden Midtemponummern über Chanson bis hin zu augenzwinkerndem Swing.
Ein Team von etablierten und kreativen Köpfen aus dem Texter- und Komponistenbereich (Thomas Zaufke, Rainer Bielfeldt, Edith Jeske, Andreas Luketa) stattet den Künstler mit Songs aus, die alle, ohne Ausnahme, einen sehr persönlichen Lebensbezug zum Künstler haben. Die Lieder erzählen Geschichten, die aufhorchen lassen. Die berührend, nachdenklich, desillusioniert, mutmachend, selbstreflektierend und auch in drei Titeln mit ordentlich Humor daherkommen. Ein mit viel Herzblut erstelltes, persönliches Album, abseits des Mainstreams. Das es auf jeden Fall wert ist, sich als Musicalfreund, der auch fähig ist, über den Tellerrand zu blicken, darauf einzulassen.
Die Reise beginnt mit Der Horizont und erzählt von der gefundenen Positionierung eines freiheitsliebenden Menschen, der metaphorisch sein Boot nicht so leicht in festen Häfen verankert.
Dieses Lied hat einen eigentlich traurigen Kontext, hat es doch den Tod eines Freundes zum Inhalt. Jedoch gelingt es durch Vermeidung jeglichen musikalischen Schwulstes, dass trotz aller Traurigkeit der Titel doch Mut macht, weiterzugehen.
Vor den Scherbenhaufen einer Beziehung stehend nimmt der Titel Du hast meine Liebe nicht verdient den Zuhörer sofort gefangen mit seiner grundehrlichen, ungeschönten Aussage und der einprägsamen Melodie. Eine Lebenssituation, die fast jeder schon einmal in ähnlicher Form erlebt hat und die deshalb so gut nachvollzogen werden kann.
Bevor das Album zu sehr in Melancholie abgleitet, zaubert einem das swingende Hühnchen in Champagner als Track Nr. 4 (der Sänger ist auf Tournee und seine Freundin wird derweil zuhause von einem Hobby-Koch angebaggert) ein breites Lächeln ins Gesicht – nistet sich gleich mal fröhlich im Gehörgang ein und macht keinerlei Anstalten, sich demnächst daraus wieder zu entfernen.
Du bist das Licht nimmt einen im Anschluss daran mit in die Gefühlswelt eines liebenden Vaters, während unmittelbar danach der Album-Titelsong Farbenblind einen aufgrund seines mitreißenden Beats doch allen Ernstes dazu animiert, die mit den ins Land gegangenen Jahren erworbene leichte Hüftsteifigkeit zu ignorieren und mal wieder einen flotten Discofox zu zelebrieren und den Refrain lauthals mitzusingen.
Die Lyrics zu Und sie tanzt… kommen einem gleich bekannt vor: Richtig, in anderem musikalischen Arrangement erinnert man sich an die einsame ältere Dame aus dem Lampenfieber-Programm, die in selbstversunkenem Tanz ihren Erinnerungen an glückliche Zeiten nachhängt.
Die nächsten beiden im Dreivierteltakt des typisch französischen Musette-Stils mit stimmigem Akkordeon durchzogenen Titel befördern einen mitten hinein ins atmosphärische Paris. Die blinde Sängerin sieht mit ihrem Herzen und bei Paris, Paris lohnt es, sich nicht nur von der schönen Komposition einnehmen zu lassen, sondern auch auf die Lyrics dieser zu Herzen gehenden Geschichte zu achten.
Mit Track Nr. 10 dann steigen einem doch wahrhaftig die Lachtränen in die Augen. Einfach köstlich, wie man bei Wellness mit dem heillos überforderten Männeken in Badeschlappen „mitleidet“. Dieser Titel ist mit Sicherheit ein Highlight auf diesem Album. Was für eine unglaublich gelungene, witzige Satire über Saunierer, Whirlpooler und Peeler.
Der Mann im Spiegel macht Mut, zu sich selbst zu stehen, sich nicht von anderen irritieren zu lassen, seinen Weg zu gehen, Schritt für Schritt.
Das im besten Sinne positive „Textmonster“ Sänger sein ist bereits aus vielen Live-Konzerten des Künstlers geläufig und fast schon als sein künstlerisches Bekenntnis anzusehen. Nun hat sich der humorig-intelligente Titel als Studioaufnahme auch auf dem Farbenblind-Album seinen Platz erobert.
Abschließend wird das Herz eines jeden Jan Ammann Fans aufgehen beim finalen Danksagungs-Titel Weil das mein Leben ist.
Als Bonustrack findet sich die Coverversion von Celine Dion’s I remember L.A. auf dem Silberling. Der einzige englische Titel des Albums reflektiert die kalifornischen Jahre von Jan Ammann.
Die CD ist aufwendig arrangiert und produziert, besonders auffallend sind die wunderschönen Cello-Sequenzen und das swingend-freche (vor allem bei Wellness) und leitmotivisch bei den Chansons unverkennbar eingesetzte Akkordeon.
Die Gestaltung des Booklets ist angenehm unprätentiös ausgefallen, der Inhalt konzentriert sich auf das wirklich Wesentliche: Die Songfolge, ein paar sympathisch-persönliche Worte sowie fünf Schwarz/Weiß- und Farbfotos des Künstlers, die ihn natürlich und pur zeigen. Mehr nicht. Doch dieses fast schon reduzierte Layout trifft die inhaltliche Aussage des Albums genau auf den Punkt: „Hier, das bin ich – ohne Kostüm und Maske – in jedem einzelnen Lied des Albums finde ich mich wieder und öffne mein Leben vor Euch“.
CD erhältlich bei www.soundofmusic.de
Hintergrundinformationen zur Entstehung des Farbenblind-Albums im Interview mit Jan Ammann und Andreas Luketa hier:
https://www.musical-reviews.de/2013/12/04/interview-jan-ammann/
(Silvia E. Loske, Februar 2014)
Tracklist:
- 01 Der Horizont 3:36 (Musik: Rainer Bielfeldt, Text: Julia Hagemann)
- 02 Dieses Lied 4:50 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Andreas Luketa)
- 03 Du hast meine Liebe nicht verdient 4:37 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Andreas Luketa)
- 04 Hühnchen in Champagner 3:07 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Andreas Luketa)
- 05 Du bist das Licht 3:25 (Musik: Rainer Bielfeldt, Text: Christian Gundlach)
- 06 Farbenblind 3:15 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Edith Jeske)
- 07 Und sie tanzt… 3:40 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Andreas Luketa)
- 08 Die blinde Sängerin 2:50 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Edith Jeske)
- 09 Paris, Paris 4:09 (Musik: Andreas Luketa, Text: Edith Jeske und Andreas Luketa)
- 10 Wellness 3:12 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Andreas Luketa)
- 11 Mann im Spiegel 5:04 (Musik: Rainer Bielfeldt, Text: Edith Jeske)
- 12 Sänger sein 5:57 (Musik: Rainer Bielfeldt, Text: Ole Lehmann)
- 13 Weil das mein Leben ist 2:55 (Musik: Thomas Zaufke, Text: Edith Jeske)
- Bonus-Track
- 14 I Remember L.A. 4:08