DRACULA – Frankenfestspiele Röttingen

 

Premiere 27.6.2013 auf Burg Brattenstein

Untote in historischem Gemäuer

Einen sehr passenden Rahmen gibt die fränkische Burg Brattenstein für sommerliches Open Air Theater her. In diesem Jahr inszenieren Sascha O. Bauer und Walter Lochmann, letzterer für die musikalische Umsetzung verantwortlich, Frank Wildhorn’s Musical „Dracula“, welches sich eng an die literarische Vorlage von Bram Stoker’s Weltbestseller hält. 

Die Veranstalter bemühen sich außerordentlich um ihr Publikum, so bekam bei der im Übrigen ausverkauften Premiere jede Dame traditionsgemäß eine weiße langstielige Rose überreicht.

Direkt am Eingang befindet sich eine große Truhe, aus der man grüne Sitzkissen entnehmen kann, was bei den unbequemen grünen Biergarten-Klappstühlen sicherlich nicht das Verkehrteste ist. Zusätzlich befinden sich im Zuschauerraum noch Bierbankgarnituren, die mit weißen Plastiktischdecken gedeckt und mit jeweils einer Efeupflanze mit passendem Übertopf hergerichtet sind.

Das farbig illustrierte Programmheft über die Frankenfestspiele gibt es umsonst. Wo gibt es denn sowas heutzutage noch?

Die vorderen Zuschauerreihen sind in der Mitte durch einen Steg getrennt, in dem eine Luke mit Metalldeckel eingelassen ist. Durch diese Luke kommen während der Show immer wieder Darsteller nach oben und auch seitlich von hinten kommen Künstler durch die Zuschauerreihen gelaufen. Während des gesamten Stückes gibt es dann kleine Schreckmomente im Publikum, wenn der Lukendeckel von unten mit Schwung aufgeklappt wird und auf den Steg knallt.

Die Story darf als bekannt angenommen werden, daher verzichten wir hier auf nähere Erklärungen.

Das Kostümbild hält alle Darsteller schwarz-weiß gekleidet, was ziemlich gewöhnungsbedürftig wirkt. Auch konnte man sich an verantwortlicher Stelle offenbar nicht entscheiden, in welcher Epoche man sich nun wirklich befindet. Dass eine Dame der damaligen Londoner Gesellschaft, wie Lucy Westenra, in Hosen gekleidet daherkommt, passt nicht. Im zweiten Akt finden sich dann absichtlich in grellem Rot akzentuierte Textilien, wie Mina’s Kleid.

Ebenso dramaturgisch schwer nachvollziehbar wie das Kostümbild ist die Tatsache, dass alle Darsteller bleich-weiß geschminkt sind. Dies macht ja Sinn bei den blutleeren Vampiretten und bei Graf Dracula, aber leider gar keinen bei (noch) nicht „gebissenen“ Charakteren wie Jonathan Harker, van Helsing und den drei Lucy-Verehrern. Hier drängt sich manches Mal ein etwas clownesker optischer Eindruck auf.

Die Bühne inmitten der Burgfassade besteht aus drei Spielebenen: Oberhalb ist eine Art Balkon zu sehen, die normale Bühne ist mit vier ineinandergreifenden großen Zahnrädern bestückt, des Weiteren gibt es einen versenkbaren Bühnenteil, aus dem beispielsweise das Bett und Lucy’s Sarg hochgefahren werden. Aus der rechts direkt an die Bühne anschließenden Burgfassade wird auch so manche Szene am Fenster bespielt.

Das Lichtdesign kann als überaus stimmig bewertet werden, insbesondere im Verlauf des  Abends, wenn dann die Dunkelheit hereinbricht, kommt sehr atmospährisches Vampirgruselgefühl auf insbesondere bei den Sequenzen, wenn der blutdürstige Graf am Agieren ist, sehr passend in roten Spot gehüllt.  Die Tontechnik leistet insgesamt gute Arbeit, wenn dann noch alle Mikros pünktlich aufgeschaltet werden, gibt es nichts mehr zu bemängeln.

Das Orchester ist eine Band aus sechs Musikern und gibt ihr Möglichstes, unsichtbar für die Zuschauer in einem verglasten Innenraum untergebracht. Natürlich ist es aus Kostengründen schon mehr als verständlich, dass bei dieser Art Veranstaltung mit keinem Orchester aufgewartet werden kann. Doch gerade Frank Wildhorn’s bombastische, kraftvolle Partitur verlangt wie kaum eine andere nach entsprechender Besetzung. In Röttingen geht daher leider durch die auf Sparflamme spielende Band viel von dem musikalischen Zauber der Komposition verloren.

Anders als bei der Band griff man bei der Cast in die Vollen. Eine beeindruckende Ansammlung von großen Namen der deutschsprachigen Musicalszene ist in Röttingen zu bewundern.

Rob Fowler in der Titelrolle überzeugt mit rockiger, sicherer Stimme, stellenweise tritt sein Akzent hervor. Bedrohlich-präsent ist er bei jedem seiner Auftritte, effektvoll unterstützt durch entsprechende Ausleuchtung.

Als braver Londoner Anwalt Jonathan Harker agiert Andreas Bieber mit unverkennbar schönem, reinem Tenor. Sein Frost an einem Sommertag gerät zu einem emotionalen Höhepunkt der Show.

Caroline Frank in der Rolle der charakterstarken, klugen Mina Murray mag optisch nicht so ganz zu ihrem Verlobten Jonathan Harker alias Andreas Bieber passen. Stimmlich lässt sie keine Wünsche offen.

Als willenlos sich Graf Dracula ausliefernde Lucy Westenra wundern wir uns über das Outfit von Kathleen Bauer (gegeltes Haar, Brille, Hosen), wofür aber natürlich die Darstellerin nichts kann. Kathleen Bauer gefällt sowohl mit wunderschöner Stimme als auch schauspielerisch.

Einen beängstigend durchgeknallten Psychopathen liefert Gernot Kranner als Mr Renfield ab, tolle Leistung. Sein irres Lied vom Meister, das sich in der Tonlage immer mehr nach oben schraubt, gelingt ganz hervorragend.

Entgegen der literarischen Vorlage (und auch der deutschsprachigen Erstaufführung in Graz 2007) macht man in dieser Inszenierung Professor van Helsing zum gebrechlichen Alkoholiker – anstelle des morphinkonsumierenden, von Rachegefühlen Dracula gegenüber getriebenen Vampirjägers. Die Charakterzeichnung ist deshalb nicht besonders stimmig. Jedoch beeindruckt Dennis Kozeluh wie stets mit seinem wunderbaren Bassbariton und sicherem Schauspiel.

Einer der Höhepunkte der Inszenierung ist die Ensemblenummer Eh’ Du verloren bist – hier stellt sich unweigerlich Gänsehaut ein, wenn die Sänger/innen nach und nach von allen Seiten auf die Bühne kommen und ihre Fackeln und Kerzenwindlichter textkonform entzünden und im Hintergrund die Burgfenster mit den dort agierenden Vampiretten angestrahlt werden: dies ist ein ganz dichter Musiktheatermoment.

Ein weiteres Highlight ist die Reprise von Ich leb’ nur, weil es Dich gibt: Dracula und Mina im Duett mit dem bekannten Text, während Jonathan Harker auf dem oberen Bühnensteg über den beiden steht und Teile aus Frost an einem Sommertag mit integriert.

Am Ende der Premiere gab es begeisterten Beifall, aber nur wenige Standing Ovations. Mag wohl auch daran gelegen haben, weil die meisten Zuschauer aufgrund der unsteten Witterung in ihre Decken eingemummelt waren.

Nach dem Schlussapplaus gab es noch ein schönes, ausgiebiges Feuerwerk.

„Dracula“ läuft noch bis zum 11. August 2013. Weitere Infos und Tickets hier:

www.frankenfestspiele.de

 (b.s., Juni 2013)

Hier geht’s zur Fotogalerie

Musical von Frank Wildhorn (Musik), Christopher Hampton und Don Black (Buch und Gesangstexte) nach dem gleichnamigen Roman von Bram Stoker, Deutsch von Roman Hinze.

 

Regie

Sascha Oliver Bauer

Musikalische Leitung

Walter Lochmann

Choreographie

Kathleen Bauer

Bühnenbild

Helmut Mühlbacher

Kostüme

Agnes Hamvas

Licht

Roger Vanoni, Wolfgang Bauer

Ton

Ali Lionnet

Maske

Tina Brochwitz

Darsteller:

 

Dracula

Row Fowler

Mina Murray

Caroline Frank

Lucy Westenra

Kathleen Bauer

Jonathan Harker

Andreas Bieber

Professor Abraham van Helsing

Dennis Kozeluh

Renfield

Gernot Kranner

Arthur Holmwood

Daniel Ogris

Dr. Jack Seward

Norbert Holoubek

Quincy Morris

Raimund Stangl

Sowie: Katharina Lochmann, Michaela Mock, Elena Dediu und Laiendarsteller aus der Region im Ensemble