Zuaschaung kan i ned…
Oh doch – und wie wir alle gebannt zuschauen können! Man weiß oftmals gar nicht, wohin man zuerst schauen soll, weil sich ständig soviel auf der Bühne tut, bei diesem rundum köstlichen, knallbunten Spektakel.
Bereits im Foyer wird man eingestimmt mit Bandltanz, Kinderchor, Blaskapelle und einer nostalgischen Fremdenführerin mit amüsant-auffallenden Englisch-Problemen.
82 Jahre hat das „Singspiel“ von Ralph Benatzky mit den nicht totzukriegenden Ohrwürmern (Die ganze Welt ist himmelblau, Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist, Im weißen Rössl am Wolfgangsee, Mein Liebeslied muss ein Walzer sein und viele andere) schon auf dem Buckel, doch wie man dieses Stück mit Esprit, Timing und Drive frisch auf die Bretter zaubern kann, erlebten wir bei der umjubelten Premiere.
Die erste Inszenierung des neuen Intendanten am Münchner Gärtnerplatztheater, der im Musiktheater über große Reputation verfügende Österreicher Josef E. Köpplinger, feierte einen fulminanten Einstand. Als Ausweichquartier für das in mehrjähriger Sanierung befindliche Gärtnerplatztheater sprang das Deutsche Theater, das sich in München-Fröttmaning ebenfalls in einer Ausweichsituation befindet, ein.
Es war proppevoll – sowohl auf den Sitzplätzen als auch vor und auf der Bühne. Die ersten Stuhlreihen im Mittelparkett wurden entfernt, um dem schmissig und flott aufspielenden Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter dem engagierten Dirigat von Michael Brandstätter Raum zu geben. Doch damit nicht genug: Zusätzlich gibt es auch noch eine Jazz-Dixielandband im linken Seitenparkett und ein Zither-Trio, platziert im rechten Seitenparkett. Und natürlich auch noch die in diesem Stück obligatorische Blaskapelle. Insgesamt wird das Publikum von 39 Musikern beschallt und von 44 Darstellern bespaßt.
Bühnenbild und Kostüme (Rainer Sinell) sind schlichtweg grandios! In Wolfgangsee-Wellen tummeln sich mit Ringeltrikotagen angetane Schwimmer, Böötchenfahrende und Angler, ein schräggestellter Gebirgsausschnitt mit darin herumkraxelnden Sommerfrischlern befindet sich erhöht im hinteren Bühnenteil, eine Modelleisenbahn tuckert fröhlich herum, ein von links hereingeschobener Dampfer hat den Kaiser an Bord und Dr. Siedler schwebt mittels Heißluftballon in die Szenerie. Die Kostüme sind liebevollst detailgenau einerseits trachtig und andererseits im Stil der 20-Jahre gefertigt.
Witzige Regieeinfälle beklatscht das Publikum lachend: Der Salzburger Schnürlregen wird mittels von der Decke herabfahrender Gießkannen, an denen Schnüre hängen, bestens illustriert. Zwei Kühe, die es zu melken gilt, tänzeln swingend-leichtfüssig über die Bühne, ein Holzdackel auf Rollen wird an der Leine gezogen und ein im nostalgischen Flieger-Outfit ausgestatteter Darsteller trappelt mit umgehängtem Propeller-Pappflugzeugerl herein. Köpplinger schöpft traumwandlerisch sicher genüsslich aus dem Vollen und trifft mit dieser Persiflage genau ins Schwarze, ohne jemals ins Peinliche abzudriften. Nicht einmal die inflationäre Bevölkerung von haufenweise Amor-Engerl, Herzerln und Dirndl-Romantik stört, ganz im Gegenteil, es passt alles zusammen.
Die Darsteller sind saft- und kraftvoll mit Lust bei der Sache. Sigrid Hauser gibt die resolute und schlagfertige Rössl-Wirtin und bringt den in heißer Liebe zu ihr entflammten Zahlkellner Leopold alias Daniel Prohaska an den Rand der Verzweiflung. Beide überzeugen mit glaubwürdigem Spiel, dem passenden Dialekt und schönen Singstimmen.
Als eloquenter Rechtsanwalt Dr. Siedler begeistert Tilmann Unger mit wunderbar kraftvollem Tenor, er mimt den männlich-markanten Part des Liebespaares Dr. Siedler/Ottilie Giesecke. Als Ottilie entzückt Iva Mihanovic, ihren berlinernd-grantelnden Vater, Fabrikant Giesecke, interpretiert Hans Teuscher knallchargig aufs Beste – „na, det Jeschäft is richtich“.
Der beliebte Münchner Bühnenschauspieler Michael von Au legt seinen schönen Sigismund mit viel pointierter Gestik knickebeinig-tollpatschig mit Schmetterlingsnetz hantierend an. Mit selbigem steckt er der Rössl-Wirtin hinterrücks Bestechungsgelder zu für den armen Professor Hinzelmann (Wolfgang Kraßnitzer) nebst Tochter Klärchen (Bettina Mönch).
Der einzige Kritikpunkt betrifft den Arme-Schlucker-Monolog von Hinzelmann – anfangs noch amüsant, verliert sich die Aufzählung seiner Sparaktivitäten hinsichtlich der zu füllenden Reisekasse dann in Langatmigkeit – hier wäre eine Straffung/Kürzung angebracht.
Kommen wir zum Superstar der Inszenierung, kein Geringerer als Maximilian Schell spielt den greisen Kaiser Franz Joseph. Kaum auf der Bühne, wird er mit lautem Jubel begrüsst. Dass er relativ wenig zu tun hat, spielt dabei keine übergeordnete Rolle, er vermag seinen Auftritt genau auf den Punkt zu bringen, und erstaunt auch noch mit Gesang – sein weises Es ist einmal im Leben so gerät direkt zum Showstopper. Das Publikum lauscht andächtig.
Positiv aufzufallen gelingt noch dem Piccolo Gustl (Jan Nikolaus Cerha) und sehr amüsant sind auch die beiden Stallburschen Hias und Lois, deren running gag bei jedem Auftritt „huao“ für Grinser sorgt.
Die Ensemble-Szenen, trefflich choreographiert mit üppig besetztem Ballett, Chor und Statisterie kommen schwungvoll und mit sichtbarer Spielfreude daher.
Als Fazit darf der wiederholte Kaiser-Ausspruch herangezogen werden: „Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut“. Weiter so, Herr Köpplinger, wir setzen unsere Hoffnung in Sie für viele weitere, prächtig inszenierte Shows in Sachen Musical, Operette und Oper.
Das „weiße Rössl“ ist im Deutschen Theater München noch bis zum 11. November und dann nochmal vom 29. bis zum 31. Dezember 2012 zu erleben.
(Silvia E. Loske, Oktober 2012)
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Singspiel von Blumenthal und Kadelburg, Hans Müller und Erik Charell, Musik von Ralph Benatzky und Robert Stolz, Liedtexte von Robert Gilbert |
Musikalische Leitung |
Michael Brandstätter |
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Regie und Licht |
Josef E. Köpplinger |
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Choreographie |
Karl Alfred Schreiner |
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Bühne und Kostüme |
Rainer Sinell |
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Dramaturgie |
Michael Otto |
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Choreinstudierung |
Jörn Hinnerk Andresen |
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Darsteller: |
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Josepha Vogelhuber, Rössl-Wirtin |
Sigrid Hauser |
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Leopold Brandmeyer, Zahlkellner |
Daniel Prohaska |
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Wilhelm Giesecke |
Hans Teuscher |
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Ottilie Giesecke |
Iva Mihanovic |
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Dr. Otto Siedler |
Tilmann Unger |
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Sigismund Sülzheimer |
Michael von Au |
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Prof. Dr. Hinzelmann |
Wolfgang Kraßnitzer |
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Klärchen Hinzelmann |
Bettina Mönch |
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Der Kaiser |
Maximilian Schell |
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Ketterl, Kammerdiener |
Wolfgang Schubert |
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Gustl, Piccolo |
Jan Nikolaus Cerha |
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sowie: Michael Glatschnig, Sophie Aujesky, Susanne Heyng, Christian Schleinzer, Maurice Klemm, Stefan Bischoff, Frank Berg, Frank-Oliver Weißmann, Toni Soyer |
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Chor, Kinderchor, Ballett und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz Jazz-Band, Zither-Trio, Blaskapelle |