Wiener Musical Sommer im Arkadenhof des Wiener Rathauses
Der Gedanke, der hinter der erstmals mit drei aufeinanderfolgenden Veranstaltungen neuen Konzertreihe unter dem Namen „Wiener Musical Sommer“, steht, ist ein naheliegender: Die Wiener Theaterproduktionen leisten sich traditionell eine ausgiebige Sommerpause – diese Musical-lose Zeit mit einigen Konzerten zu füllen, die einen bunten Strauß der schönsten Musicalmelodien bieten, ist eine prima Idee.
Man nehme daher eine Riege arrivierter Musicaldarsteller, stelle den derzeit leuchtendsten Star am (deutschen) Musicalhimmel in den Fokus, binde als Ensemble engagierte Studierende einer Musical Akademie mit ein, wähle eine bezaubernde Open Air Location und lasse das Ganze von der in Wien seit Jahrzehnten mit viel Herzblut agierenden, rührigen Lokomotive in Person von Marika Lichter organisieren.
Die vorbereitenden Geburtswehen der neuen Veranstaltungsreihe waren nicht unerheblich, einige Hürden galt es zu nehmen, der Kartenverkauf lief zäh, doch letztlich spricht das Ergebnis für sich. Bei der von der Autorin besuchten Veranstaltung am 3. August fanden sich ca. 800 begeisterte Musicalhungrige im romantischen Arkadenhof des Wiener Rathauses ein und demonstrierten durch Jubel und Standing Ovations, dass das Konzept der Veranstalterin, Agentur GlanzLichter, aufgegangen war.
Die Band, bestehend aus acht der bewährtesten Musiker der Vereinigten Bühnen Wien unter Leitung von Herwig Gratzer am Keyboard, bereitete mit viel Verve den perfekten musikalischen Klangteppich für die Sänger-Darsteller Maya Hakvoort, Marika Lichter, Oliver Arno und den bereits angeführten derzeit beliebtesten und gefragtesten Musicalstar aus Deutschland, Jan Ammann. Aktuelle und ehemalige Studierende der Musical Akademie Graz unter Einstudierung ihres Direktors Christian Schmidt peppten den Rahmen des Konzerts mitreißend auf. Sogar solistisch ließen einige der Nachwuchsdarsteller aufhorchen, so insbesondere Bernhard Sattler, der mit gut ausgebildeter und sehr schöner Stimme zu überzeugen wusste. Innerhalb der Gruppe konnte man deutlich den unterschiedlichen Ausbildungsstand erkennen: Vom noch teilweise etwas unsicheren Auftreten der Eleven bis hin zur bereits ziemlich eindrucksvollen Performance von Nachwuchstalenten, die erfolgreich nach ihrer Ausbildung schon in festen Engagements tätig sind (Julia Fechter), reichte die Palette. Wichtig für die jungen Talente ist es, Bühnenerfahrung zu sammeln, und dazu hatten sie bei diesem Konzertformat reichlich Gelegenheit.
Sehr aufwendig, detailreich und zur jeweiligen Nummer vorzüglichst passend die farbenfrohen Kostüme des Musical Akademie Ensembles, schwungvoll und mitreißend die Choreographien auf der nicht sehr großen Bühne.
Besonderer Erwähnung bedürfen die phantastischen Projektionen – zu jedem Themenblock wurden diese punktgenau eingespielt und unterstrichen hinreißend die Darbietungen. So tauchten die Projektionen den Bühnenhintergrund bis hinauf zu den gotischen Bögen der Rathausfassade in ein prachtvolles Rosenmeer bei Wie kann ich sie lieben aus „Die Schöne und das Biest“, bildeten eine düstere, nebelwabernde Friedhofsatmosphäre beim „Tanz der Vampire“-Block und vermittelten das blau-fröstelnde und unheil-dräuende Flair im kaiserlichen Spiegelsaal bei der „Elisabeth“-Sequenz. Wer immer für diese Projektionen verantwortlich zeichnete: Großes Lob dafür!
Die Soundabstimmung ist erfahrungsgemäß bei Open Air Veranstaltungen problematisch, man tat das Möglichste, um dies einigermaßen in den Griff zu bekommen. Anfangs des ersten Teils war das Orchester, jedenfalls in den vorderen Reihen wurde es so empfunden, gegenüber den Stimmen zu sehr im Vordergrund, im Verlauf des Konzerts wurde dies dann besser ausgesteuert.
Kommen wir nun zum Programm und den Darstellern:
Die Programmfolge nahm den Zuschauer und -hörer mit auf die Reise der Wiener Erfolgsmusicals, die zu einem Gutteil aus Eigenproduktionen der Vereinigten Bühnen Wien bestehen, wie „Freudiana“, „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“, „Mozart!“, „Rebecca“ sowie weitere von Wien ausgegangene und anschließend im deutschsprachigen Raum zu großen Hits gewordene Stücke wie „Jekyll & Hyde“ und „Die Schöne und das Biest“. Hinzu kamen noch Auszüge aus den Musicals „Romeo & Julia“, „Rudolf“ und aktuell „Klimt“, dessen Komponist Gerald Gratzer bei den Wiener Musical Sommer Konzerten am Schlagzeug saß.
Maya Hakvoort, die mehr als tausendmal die unglückliche Kaiserin Elisabeth dargestellt hat und aktuell in St. Gallen in einer sehenswerten Interpretation die sinistre Mrs Danvers in „Rebecca“ gibt, punktete mit ihrem warmen Mezzosopran. Die ihr längst in Fleisch und Blut übergegangene, aufbegehrende Elisabeth-Arie Ich gehör nur mir holte das Publikum von den Sitzen und heimste die zweiten Standing Ovations des Abends ein (zu den ersten kommen wir gleich noch). Sehr gefallen hat auch ihre Performance der Lucy aus „Jekyll & Hyde“ im Duett mit Jan Ammann bei Gefährliches Spiel und bei ihrem Solo Jemand wie Du. Lediglich die naive 17-jährige Sarah bei Totale Finsternis aus „Tanz der Vampire“ nahm ich ihr nicht zu hundert Prozent ab. Gleichwohl hatte Maya Hakvoort erkennbar zum Ende des Songs mächtig Spaß mit ihrem Duettpartner, als dieser ihrer Halsschlagader krolockig-lüstern mit seinen Vampirfängen nahekam.
Marika Lichter blickt auf eine in Österreich beispiellose jahrzehntelange Karriere im Operetten- und Musicalfach zurück. Bei vielen deutschsprachigen Erstaufführungen war sie bereits mit von der Partie, so zum Beispiel in „Die Schöne und das Biest“, „Elisabeth“ und „Rebecca“. Insbesondere die schrägen und mit Komik gewürzten Titel liegen ihr sehr, so amüsierte sich das Publikum prächtig bei I’m an American Woman und Nur kein Genier’n. Darüber hinaus führte Marika Lichter als Moderatorin launig durch den Abend, interagierte gut aufgelegt mit dem Publikum bei der Abgleichung von Premierenterminen der in Wien aufgeführten Musicals und streute das ein oder andere Bonmot ihrer langen Bühnenerfahrung mit ein.
Oliver Arno steht seit 2004 in Hauptrollen namhafter Musicalproduktionen auf Bühnen in Österreich, der Schweiz und jüngst auch wieder in Deutschland bei der „Elisabeth“-Tour. Der sympathische junge Tenor überzeugte gleich zu Beginn des Konzerts mit dem berührenden Titel Warum kannst Du mich nicht lieben aus „Mozart!“. Zusammen mit den Studierenden der MA Graz (als Capulets und Montagues) gab er den Fürsten aus „Romeo & Julia“ mit der tollen Nummer Verona und räumte erwartungsgemäß als verzweifelter Kronprinz Rudolf an der Seite des „Tod“ Jan Ammann beim fulminanten Männer-Duett Die Schatten werden länger ab. Die Rolle des Rudolf wird Oliver Arno auch in der „Elisabeth“-Jubiläumsproduktion, Premiere am 5. September im Raimund Theater Wien, wieder verkörpern. Lediglich als Alfred bei dem Solo Für Sarah merkte man, dass dem Künstler wohl dieses Stück nicht so ganz liegt.
Das Beste zum Schluss: Der deutsche Bariton Jan Ammann hat, der Begeisterung der Zuschauer nach zu schließen, nun auch das österreichische Musicalpublikum im Sturm erobert. Nach seiner unnachahmlichen Darbietung des zerrissenen Grafen von Krolock mit Die unstillbare Gier sprang das Publikum laut jubelnd auf die Füße und spendete lang anhaltende Standing Ovations. Sein grandioses Stimmvolumen in Verbindung mit sensibler Schauspielkunst und blendendem Aussehen machen ihn im Handumdrehen zum Publikumsliebling, egal ob er in den spektakulärsten Musicalproduktionen oder als Solist bei Konzerten unterwegs ist. Aktuell ist Jan Ammann in der männlichen Hauptrolle des Maxim de Winter im Krimimusical „Rebecca“ in Stuttgart zu erleben, demzufolge blieb auch sein Titel Gott warum nachhaltig im Gedächtnis haften. Genauso überzeugte er vollends in seinen Soli als machtvoller Fürsterzbischof Colloredo aus „Mozart!“ mit Wie kann es möglich sein und als janusgesichtiger Dr. Jekyll mit der Hymne Dies ist die Stunde, als verwunschener Prinz mit Wie kann ich sie lieben und im knisternden Duett mit Maya Hakvoort bei Ein gefährliches Spiel. Und nicht zu vergessen seine verführerische Interpretation des „Tod“ aus „Elisabeth“: Obwohl er diese Rolle noch nie im Musical verkörpert hat, dürfte es nach den Wiener Konzerten nicht wenige geben, die sich wünschen, dass Jan Ammann auch in dieser Rolle einmal zu bewundern sein dürfte. Neben den wunderbaren Duetten Wenn ich tanzen will und Die Schatten werden länger beeindruckte insbesondere sein Letzter Tanz, den er jazzig-sinnlich, beinahe schon lasziv, interpretierte. Eine im Publikum anwesende bekannt Musical-affine Schauspielerin meinte anschließend, dass sie niemals zuvor diese Nummer erotischer vorgetragen gesehen und gehört hätte. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!
Als Fazit bleibt zu hoffen, dass sich dieses gelungene Konzept des Wiener Musical Sommer etabliert und in den kommenden Jahren für weitere Highlights in der Wiener Sommerpause sorgt.
(Silvia E. Loske), August 2012
SETLIST
MUSIKTITEL | INTERPRET |
1. Teil | |
Ouverture | Band |
Mozart!: | |
Hier in Wien | Musical Akademie (MA)Graz |
Warum kannst Du mich nicht lieben | Oliver Arno |
Wie kann es möglich sein | Jan Ammann |
Gold von den Sternen | Marika Lichter |
Jekyll & Hyde: | |
Dies ist die Stunde | Jan Ammann |
Jemand wie Du | Maya Hakvoort |
Gefährliches Spiel | Maya Hakvoort & Jan Ammann |
Freudiana: Dora | Oliver Arno |
Klimt: So zu lieben | MA Graz |
Rudolf: Weg in die Zukunft | MA Graz |
Rebecca: | |
Gott, warum | Jan Ammann |
American Woman | Marika Lichter |
Rebecca | Maya Hakvoort & MA Graz |
Manderley Epilog | Alle & MA Graz |
2. Teil | |
Tanz der Vampire: | |
Es laden die Vampire zum Tanz | MA Graz |
Für Sarah | Oliver Arno |
Totale Finsternis | Maya Hakvoort & Jan Ammann |
Die unstillbare Gier | Jan Ammann |
Romeo & Julia: Verona | Oliver Arno & MA Graz |
Die Schöne und das Biest: | |
Wie kann ich sie lieben | Jan Ammann |
Die Schöne und das Biest | Oliver Arno & Marika Lichter |
Elisabeth: | |
Prolog | MA Graz |
Der letzte Tanz | Jan Ammann & MA Graz |
Ich gehör nur mir | Maya Hakvoort |
Wenn ich tanzen will | Maya Hakvoort & Jan Ammann |
Nur kein Geniern | Marika Lichter & MA Graz |
Die Schatten werden länger | Jan Ammann & Oliver Arno & Alle |