Welturaufführung am 15.03.2014 im Theater St. Gallen
Für die lange mit großer Neugier und Spannung erwartete Welturaufführung der britannischen Rittersaga um den friedensvisionären König Artus, die Burg Camelot, die Ritter der Tafelrunde und das sagenumwobene Schwert Excalibur hebt sich der Vorhang im innovativen Theater St. Gallen, das immer mehr an Gewicht im deutschsprachigen Musical-Business zulegt. Fanden doch hier im beschaulichen Schweizer Städtchen in den letzten Jahren so einige mit großer Aufmerksamkeit einher gegangene Erstaufführungen statt. Der umtriebige Intendant Werner Signer hat nun mit ARTUS – Excalibur ein weiteres Stück aus der Feder von Balladenkönig Frank Wildhorn in sein Theater geholt.
Kurzüberblick Story:
ARTUS – Excalibur entführt das Publikum in die Sagenwelt rund um König Artus. Der Legende nach stieß der Zauberer Merlin das Schwert Excalibur in einen Felsen, woraufhin zahlreiche Ritter versuchten, die Waffe herauszuziehen. Niemandem gelang es, bis auf Artus, der mit dieser Tat die Prophezeiung erfüllte, dass nur derjenige in den Besitz des Schwertes gelangen könne, der zum König über das Reich bestimmt sei. Bis es aber so weit ist, haben Artus und seine Gefolgschaft einige Prüfungen zu bestehen. So durchkreuzt Morgana mit ihrem Rachedurst und ihrer Leidenschaft für dunkle Magie immer wieder die Pläne von ihrem Halbbruder Artus und seinen Rittern der Tafelrunde, es gibt Liebesleid, weil sich Artus’ engster Freund, Ritter Lancelot, ausgerechnet unsterblich in Guinevere, Artus’ Frau, verliebt – die Zuneigung der beiden zueinander wird von der bösen Morgana verraten, Artus verbannt Frau und Freund von Camelot. Es kommt zu einer großen Schlacht mit Loth, der ebenfalls den britannischen Thron beansprucht. Lancelot eilt Artus in der Schlacht zu Hilfe…
Nun, gleich der Beginn des Musicals sorgt mit der Ensemblenummer Feld der Ehre für einen Paukenschlag an Gänsehautfeeling. Auf einem der unzähligen, nebelverhangenen Schlachtfelder des frühen Mittelalters im ungeeinigten britannischen Reich trauern Überlebende und Hinterbliebene um die Gefallenen. Eine mit viel Mystik, keltischen Klängen, Trommelwirbel, Querflöte sowie Dudelsack- und Harfentönen (aus den beiden Keyboards) durchzogene, kraft- und seelenvolle Ensemblenummer im Bolerostil ist der geglückte Einstieg in die Show. Der Eindruck „wow, wenn das so weitergeht, dann wird das ein Knüller“ steigt in einem hoch. Indes, diese Erwartungshaltung ist dann doch zu hoch gesteckt. Es geht nicht so packend weiter. Im Verlauf des ersten Aktes vermag das Musical es nicht, sowohl aufgrund der Geschichte ans Herz zu gehen, noch dass sich die Melodien auf Anhieb im Gehörgang einnisten.
An der bemerkenswerten Dichte an hochkarätigen Darstellern liegt es nicht, diese geben ihr Bestes. Ebenso wie das großartig aufspielende Sinfonieorchester St. Gallen, das aufgrund der vielen Pop-Elemente in der Partitur um eine Band mit Gitarren und Keyboards verstärkt wurde, unter der souveränen Leitung von Maestro Koen Schoots. Nur werden vor allem die fünf Hauptdarsteller von der Personenregie (Inszenierung: Francesca Zambello) allein gelassen – zu oft stehen sie bei ihren Soli alleine auf der so gut wie leeren Bühne an der Rampe und singen frontal ins Publikum.
Ach ja, die Bühne… die definitive Enttäuschung der Show. Peter A. Davison, der das geniale Bühnenbild zu „REBECCA“ erschaffen hat, bietet bei ARTUS in den Camelot-Szenen lediglich an Hinterbühne und den beiden Seiten raumhohe Holzpaneele mit ausgeschnittenen Kreuzen, die von hinten beleuchtet werden. Ansonsten werden zwei Bäume, die einen Wald assozieren sollen, geliefert. Und eine angedeutete Hexenküche dient als Labor des Zauberers Merlin und der Antagonistin des Stücks, der durchtriebenen Morgana.
An Requisiten gibt es den Felsen, in welchen Merlin das Zauberschwert Excalibur hineinstößt, ein Bett, das bei Bedarf hereingefahren wird und zwei hölzerne Thronsessel für Artus und seine Königin Guinevere. Für den einzigen Special Effect wird ein wohl tonnenschwerer riesiger rund-massiver Holztisch, die Tafelrunde symbolisierend, aus der Unterbühne nach oben gefahren. Projektionen werden bemüht, um Atmosphäre zu schaffen auf der spartanischen Bühne, was manches Mal gut gelingt, manchmal aber auch eher ohne große Wirkung verpufft.
Das war’s dann auch schon an Bühnenbild und Special Effects. Ziemlich wenig für einen Stoff, der soviel mehr Möglichkeiten böte. Unwillkürlich ploppt der Gedanke hoch, dass dieses Stück ideal für eine Tourneeproduktion geeignet scheint – da kein Bühnenbild und so gut wie keine Requisiten zu transportieren wären.
Die Kostüme hingegen sind wunderschön und lassen durch ihre Opulenz und Detailgenauigkeit Ritterfeeling aufkommen. Licht- und Tondesign sind stimmig und lassen keine Wünsche offen.
Hervorragend choreographiert sind die Fecht- und Kampfszenen, hier wurde deutlich sichtbar richtig gute Arbeit geleistet. ARTUS Hauptdarsteller Patrick Stanke kommt da sicherlich seine Erfahrung als D’Artagnan aus den Drei Musketieren zugute.
Das Buch von Ivan Menchell hinterlässt einen etwas unfertigen Eindruck, irgendwie wirkt alles wie mit heißer Nadel gestrickt, fast wie ein work-in-progress. Etwas irritiert nimmt man zur Kenntnis, dass das komplette Musical weniger als zwei Stunden dauert (der erste Akt gute 58 Minuten, der zweite gar noch weniger). Manche Charaktere wie Guinevere und Lancelot sind gut ausgearbeitet, andere, wie vor allem Morgana, die das ganze Stück über nur ihre verpfuschte Kindheit beklagt, sind seltsam eindimensional angelegt. Die Figur des Zauberers Merlin (gewohnt stimmgewaltig: Thomas Borchert) vermag auch nicht, einen so richtig in den Bann zu ziehen, zu wenig schlüssig erscheint sein Agieren – so z. B. wenn er eineinhalb Akte lang charakterlich aufrecht ein Leitbild darstellt, um dann unvermittelt vor Morgana einzuknicken, sich ihr „hingibt“ und somit seiner Zauberkraft beraubt wird. Etwas blass bleiben auch die Ritter, die Artus um sich schart.
Die Hauptrolle des König Artus ist mit Patrick Stanke besetzt, der seinen Gesangspart mühelos beherrscht und als junger, ungestümer Bursche ebenso glaubwürdig ist wie als König mit großer Verantwortung auf seinen Schultern. Bei der Anlage seines Bühnencharakters weiß das Buch auch nicht so recht, wo es eigentlich hin will. Zeigt Artus anfangs eine gegenüber Excalibur an den Tag gelegte Skepsis, will er dann, als er seine ihm vom Schicksal zugedachte Position (auch durch gutes Zureden seiner Guinevere) akzeptiert, das Reich in Frieden vereinigen. Mitte des zweiten Aktes wird aus dem Gutmenschen, der Gewalt verabscheut, durch den Mord an seinem Ziehvater eine komplett in Haß, Rachegelüsten und Bitterkeit verharrende Figur, seine engsten Vertrauten, seine Frau und seinen besten Freund Lancelot, verhärtet und unzugänglich von sich weisend.
Einem Sympathieträger als edelmütiger Ritter und Weggefährte von Artus verleiht Mark Seibert Körper und Stimme. Er scheint perfekt besetzt für diese Rolle, sowohl optisch-schauspielerisch als auch stimmlich. Mit seinem Pop-Tenor gelingen ihm sehr schöne Momente, hohe Schlusstöne sind bei ihm unvergleichlich gut aufgehoben.
Lancelot ist unglücklich verliebt in die schöne und kluge Guinevere (Annemieke van Dam, mit überzeugendem Schauspiel und schöner Stimme). Ein Déjà-vu der besonderen Art, agierten doch gerade Mark Seibert und Annemieke van Dam die letzten Jahre bereits untrennbar verstrickt als füreinander bestimmtes Paar „Elisabeth und Der Tod“.
Sabrina Weckerlin gibt die böse Morgana mit roter Mähne und gewandet in großartige Roben und singt traumwandlerisch sicher – schade ist nur, dass man leider phonetisch – zumindest im ersten Akt – kein Wort von dem versteht, was sie singt. Textverständlichkeit gleich Null, wie kann das sein?
Frank Wildhorn’s Komposition ist, wie gewohnt, reich an mitreißenden Ensemblenummern und ausführlich zu beltenden Balladen, bei denen sich gute Sänger immer von ihrer besten Seite zeigen können. In seiner zum größten Teil an Pop-Elemente angelehnten Partitur finden sich Motive irischer und keltischer Herkunft. Doch ein musikalisches Leitmotiv, das man direkt mit dem Stück assoziieren könnte, fehlt.
Sehr schön klingen Ein neuer Tag (Guinevere – Annemieke van Dam) und Nur sie allein (Lancelot – Mark Seibert), diese beiden Balladen gehen gleich ins Ohr. Und die Ensemblenummern Feld der Ehre und Heute Nacht fängt es an gefallen auch. Richtig gut wird es immer dann, wenn der St. Gallener Chor stimmlich eingreift. Gerade bei der Krönungsszene am Ende des ersten Aktes und bei der Königshochzeit zu Beginn des zweiten Aktes passt das alles gut zusammen. Ein richtiger Hit ist im Stück auf Anhieb jedoch nicht auszumachen.
ARTUS – Excalibur ist für einen Musiktheaterabend sicherlich gute Unterhaltung, der große Wurf scheint es aufgrund des mit einigen Schwächen behafteten Buches und der enttäuschend leeren Bühne (noch) nicht zu sein. Möglicherweise könnte mit entsprechender Nachbearbeitung noch eine runde Sache daraus entstehen, zu hoffen ist dies allemal.
Das Premierenpublikum stand am Ende und applaudierte freundlich-wohlwollend, aber richtige Begeisterung war nicht unbedingt zu spüren – im Vergleich mit den in den letzten beiden Jahren im St. Gallener Theater gefeierten Premieren von REBECCA und MOSES war die Reaktion auf ARTUS – Excalibur eher verhalten.
Informationen zum Stück, Spieltermine und Tickets unter http://www.theatersg.ch/
(Silvia E. Loske, März 2014)
Musik |
Frank Wildhorn |
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Buch |
Ivan Menchell |
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Liedtexte |
Robin Lerner (Buch und Lyrics deutsch: Nina Schneider) |
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Orchestrierung und Arrangements |
Koen Schoots |
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Regie |
Francesca Zambello |
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Bühnenbild |
Peter J. Davison |
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Choreographie |
Eric Sean Fogel |
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Kostüme |
Sue Wilmington |
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Projektionen |
S. Katy Tucker |
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Dramaturgie |
Serge Honegger |
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Choreinstudierung |
Michael Vogel |
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Lichtdesign |
Mark McCullough |
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Tondesign |
Stephan Linde, Christian Scholl |
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Kampfszenen |
Rick Sordelet |
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Darsteller: |
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Artus |
Patrick Stanke |
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Guinevere |
Annemieke van Dam |
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Merlin |
Thomas Borchert |
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Lancelot |
Mark Seibert |
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Morgana |
Sabrina Weckerlin |
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Ector |
Alexander Bellinxk |
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Loth von Orkney |
Robert Johansson |
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Sir Gareth |
Kevin Foster |
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Oberin |
Colleen Besett |
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Lucan |
Gero Wendorff |
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Priester |
Marc Lamberty |
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Ensemble: Tristan Adams, Alexander Bellinkx, Colleen Besett, Amelie Dobler, Kevin Foster, Robert Johansson, Samuel Tobias Klauser, Marc Lamberty, Richard Leggett, Rupert Markthaler, Marle Martens, Stéphanie Signer, Ariane Swoboda, Jeannine Michele Wacker, Gero Wendorff. Sowie: Chor und Statisterie des Theaters St. Gallen, Sinfonieorchester St. Gallen |